Dienstag, 18 September 2012 00:00

Volle Kornkammer schwierige Vermarktung

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s7_kornVinschgau - Über die vielen neuen Getreidefelder im Vinschgau freuen sich alle, denen die Vielfalt der Kulturlandschaft wichtig ist. Grund für den Anbau-Boom ist neben dem landesweit erfolgreichen Projekt „Regiokorn“ vor allem die Offensive der „Kornkammer Vinschgau“. Doch nun sitzen viele „Kornkammer-Bauern“ auf ihren gefüllten Säcken und werden das Getreide nicht los.

von Magdalena Dietl Sapelza

Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau

Der Bauer aus dem Untervinschgau* ist fuchsteufelwild. Er sitzt auf rund zwei Tonnen Getreide und weiß nicht, wohin damit. So wie ihm ergeht es vielen anderen Anbauern.
Doch der Reihe nach: Der Untervinschger Bauer hatte sich entschieden, auf seinem Feld bei Prad, fast einen Hektar groß, Roggen anzubauen. Dazu angeregt hatte ihn ein Mitglied der „Kornkammer Vinschgau“. Auch verschiedene Medienberichte empfand er als indirekte Aufforderung zum Getreideanbau. In den Berichten wurde suggeriert, dass sich das Getreide zu lukrativen Preisen bis zu einem Euro pro Kilogramm verkaufen lasse. Also schritt der Bauer zur Tat. Blauäugig wie er sich heute eingestehen muss.
Beim Ablauf - von der Aussaat über die Ernte bis hin zum Putzen des Getreides mit Hilfe des Maschinenrings und der Putzmaschine in der neu eröffneten „Verarbeitungsstraße“ in Prad - habe auch alles geklappt, so der Untervinschger. Abrechnen müsse er allerdings noch. Doch nun steht er da mit seinen Säcken und ärgert sich.

Wie der Untervinschger Getreideanbauer waren auch andere Bauern davon ausgegangen, dass hinter dem Projekt „Kornkammer“ eine funktionierende Vermarktungsschiene steht. „Mir ist nun klar geworden, dass vieles bei der Kornkammer auf dem Zufallsprinzip aufgebaut ist und unterm Strich nicht viel da ist“, wettert  der Untervinschger. Er hats sich nun über das Südtirol weite Projekt „Regiokorn“ informiert, bei dem er sich anmelden will. Für 2013 ist das allerdings schon zu spät. Termin wäre Ende Juli gewesen. Bei „Regiokorn“ wird zuerst der Bedarf ermittelt, die Getreidemenge vereinbart und die Vermarktung geplant. Das heißt: Ein Anbauer muss sich zirka ein Jahr vor der Ernte mit der Sache auseinandersetzen.

„Man hat den Bauern der Kornkammer indirekt schon Absatzmöglichkeiten versprochen“, bestätigt Othmar Folie, Besitzer der „Verarbeitungstraße“ in Prad und selbst Mitglied der „Kornkammer“. Er kennt die Probleme der Bauern aus erster Hand und bestätigt, dass heuer viele nicht wissen, wohin mit dem Getreide. Doch grundsätzlich sei von Seiten der „Kornkammer“ aus immer kommuniziert worden, dass jeder seine Ware selbst vermarkten müsse. Viele hätten das wohl überhört oder keine Chance gehabt, es zu hören, weil sie gar nicht zu den Versammlungen gekommen seien. Als Direktvermarkter nutzen Folie und seine Frau Cilli die Anlage in erster Linie für sich selbst. Darüber hinaus bieten sie den Bauern der „Kornkammer“ die Dienstleistung an. Folie hatte die „Verarbeitungstraße“ aus eigenen Mitteln angekauft - ohne  Förderungen, auch zur Unterstützung der „Kornkammer“-Idee. Abnehmen könne er das Getreide allerdings nicht. Sein Bedarf als Direktvermarkter ist mit dem eigenen Getreide gedeckt. In den vergangenen Jahren habe es, laut Folie, mehr oder weniger kaum Absatzprobleme gegeben.

„Bei mir haben heuer an die zwanzig Bauern angerufen und mich gefragt, ob ich ihnen ihr Getreide abkaufen könnte“, sagt der Bäcker Peter Schuster aus Laatsch auf die Nachfrage vom Vinschgerwind. Er beschreibt das Ganze als Dilemma. Der Bäckerinnungsmeister des Vinschgaus und Mitbegründer des Projektes „Vinschger Urpaarl“, das mittlerweile in Zusammenarbeit mit mehreren Vinschger Anbauern autonom läuft, ist unglücklich über die missliche Situation. Die derzeitigen Absatzschwierigkeiten seien alles andere als förderlich für den Anbau von regionalem Getreide. Schuster steht hinter dem Brot aus regionalen Kreisläufen. Doch für seine Brotproduktion ist er mit dem Getreide eingedeckt, das er über das Südtirol weite Projekt „Regiokorn“ bezieht. Er hat wie viele seiner Kollegen, eine vertragliche Vereinbarung mit „Regiokorn“. Das Ganze läuft über die „Meraner Mühle“. Entscheidend für Schuster ist, dass dort die Qualität stimmt, das A und O für gutes Brot. „Ich muss verbindliche Laboranalysen haben mit Richtwerten zur Backfähigkeit, damit es passt, und das ist bei „Regiokorn“ durch die Analysen der Laimburg gegeben“, so Schuster.

Das Projekt „Regiokorn“ wurde 2007 als ein landesweites ESF-Projekt mit den Projektpartnern TIS innovation park, Südtiroler Bauernbund und Laimburg gestartet, um den Getreideanbau in Südtirol neu zu beleben und regionale Produkte, speziell das Südtirol Brot, zu fördern. Derzeit hat „Regiokorn“ Vereinbarungen mit 34 Landwirten und 44 Bäckern. Das Ziel ist der Aufbau eines Netzwerkes von Landwirten, Müllern und Bäckern, um die Vielfalt in der Kulturlandschaft zu fördern. Die Landwirte werden bei Anbau und Ernte von Experten beraten. Sie müssen sich verpflichten, Anbaurichtlinien einzuhalten. Alle Betriebe dürfen ausschließlich jene Getreidesorten verwenden, die vom Versuchszentrum Laimburg empfohlen werden. Der Müller garantiert, die vereinbarte Menge einheimischen Korns abzunehmen. Um am Projekt „Regiokorn“ teilnehmen zu können, muss der Landwirt bis Ende Juli eines jeden Jahres sein Interesse beim Bauernbund anmelden. Nach Abgleich mit dem Bedarf der Bäcker erfolgt die Zusage zur Abnahme und die Vertragsunterzeichnung. Zugelassen ist Getreide aus biologischem und konventionellem Anbau, allerdings bei letzterem mit Auflagen wie Verzicht auf Pflanzenschutzmittel oder Mineraldünger. Groß ist derzeit die Nachfrage nach Dinkel und nach zertifizierter Bioware. Über „Regiokorn“ wird die vereinbarte und ungeputzte Getreidemenge nach der Ernte am Hof abgeholt. Der Bauer hat mit der Vermarktung also nichts mehr zu tun und bekommt eine Preisgarantie (siehe Tabelle).

Die „Kornkammer Vinschgau“, gegründet 2010 (drei Jahre nach Regiokorn),  ist eine Vereinigung von rund 30 Getreideanbauern vorwiegend aus dem oberen Teil des Vinschgaus. Und es ist eines der „vielen Kinder“ von Konrad Meßners  neben „markt&feld“, „venosta“, „umundauf“ und „arcus raetia“ unter dem Mantel „pan agora“.  Obmann der „Kornkammer Vinschgau“ ist Florian Pichler. Diese verfolgt in  Zielsetzung und Philosophie in etwa dieselben Ideen, wie das Projekt „Regiokorn“. Eine Zusammenarbeit der „Kornkammer“ mit „Regiokorn“ gibt es kaum.  Von der „Kornkammer“ propagiert werden regionale Produkte, die Vielfalt  der Kulturlandschaft und vieles mehr. Hehre Ziele, die als erstrebenswert betrachtet werden. Der Schwachpunkt der „Kornkammer“ ist allerdings, dass keine direkte Vermarktungsschiene gefahren wird und jeder selbst für den Absatz verantwortlich ist. Im Internet-Auftritt der „Kornkammer“ steht das Schwarz auf Weiß: „Die Kornkammer baut auf die Eigenverantwortung ihrer Mitglieder.“ Und das bringt viele Bauern jetzt ins Schwitzen. Einige Textpassagen sind jedoch irreführend. Zum Punkt Verkauf ist formuliert: „Die Kornkammer ist um ein ausgewogenes Verhältnis von Angebot und Nachfrage bemüht. Hauptabnehmer sind derzeit die Bäcker im Vinschgau, die Whiskybrennerei PUNI in Glurns sowie Reformhäuser und Heilkliniken….“ Die Whisky-Brennerei wolle heuer nicht mehr Korn abnehmen und die Verhandlungen mit der „Kornkammer“ seien auch was den Preis betreffe unbefriedigend verlaufen, weiß Folie.  Kornkammerobmann Pichler wimmelt die Fragen dazu vom Vinschgerwind ab und gibt keine Auskunft. Auf die Frage zu den Verhandlungen mit der „Kornkammer“ erklärt der Whisky-Brenner Albrecht Ebensberger: „Seit zwei Jahren gibt es keinen Kontakt mehr zur Kornkammer. Mit mir hat niemand gesprochen.“ Er habe seine Bauern aus Marienberg, Mals und Tanas, denen er das Getreide auch heuer abnehme, zu einem Preis von 0,75 Euro.  Ebensberger war bei der Gründung der „Kornkammer Vinschgau“ 2010 dabei, ist dann aber ausgestiegen. Seine Begründung: „Das Ganze ist ein luftiger Verein, in dem vieles weder Kopf noch Fuß hat. So kommen wir nicht weiter“

Tatsache ist: In der „Kornkammer“ hat man eine Idee nicht zu Ende gedacht. Es hapert mit der Vermarktung. Dabei sollte  die Vermarktung das Um und Auf sein, um im Sinne der Vielfalt auch einen Absatz und damit die Nachhaltigkeit gewährleisten zu können. Etwas läuft schief und führt die  schöne Philosophie von Vielfalt, Regionalität und Nachhaltigkeit an absurdum.
„Die Kornkammer will langsam wachsen...“, so steht es weiter auf dem Papier der „Kornkammer“. Die Bauern sind wohl zu schnell gestartet. Für viele könnte sich der Getreideanbau 2012 als Investition ins Leere erweisen, sehr zum Nachteil der eigentlich gewünschten Vielfalt und Regionlität. Die  Bauern, die sich zu wenig mit der Einrichtung „Kornkammer“ auseinandergesetzt, die ihr vertraut und ausschließlich auf deren Schiene gesetzt haben, sind  nun  die Geschröpften. Einige überlegen sich bereits, ihr Getreide wie einst zu brechen und an die Tiere zu verfüttern. Glück haben jene Mitglieder der „Kornkammer“, die Verträge mit „Regiokorn“ haben.
Jene, die derzeit auf ihren Getreidesäcken sitzen, werden es sich wohl gut überlegen, die Saat für 2013 auszubringen. „Ich hätte mir von der Kornkammer mehr erwartet“, bemerkt der Untervinschger Getreideanbauer und fügt hinzu: „Das Pferd wurde von hin aufgezäumt.“

* Name der Redaktion bekannt

Regiokorn-Richtpreise 2012 der Meraner Mühle für Bauern

Aus konventionellem Anbau:
Roggen Euro 0,75 + Mwst.
Dinkel im Spelz  Euro 0,60 + Mwst.
(entspricht  Euro 0,92 für Dinkel ohne Spelz)

Aus kontrolliert biologischem Anbau:
Roggen Euro 0,90 + Mwst.
Dinkel im Spelz Euro 0,75 + Mwst.
(entspricht Euro 1,15 für Dinkel ohne Spelz)

Quelle: Folder „Regiokorn“


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