Dienstag, 13 Mai 2014 09:06

Nationalpark Stilfserjoch - Der ländliche Raum - Das Obere Vetlintal als Pilotregion

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PanoramicaBormioWolfgang Platter, am Tag des 1. Eisheiligen St. Pankratius, 12. Mai 2014

Heute möchte ich den Leserinnen und Lesern die Bezirksgemeinschaft Oberes Veltlintal und einige Ansätze für das Pilotprojekt „Un futuro per la Magnifica Terra“ vorstellen. Zur Bezirksgemeinschaft Oberes Veltintal sind die 6 Gemeinden Livigno, Valdidentro, Valfurva, Bormio, Valdisotto und Sondalo zusammengeschlossen. Insgesamt wohnten am 31.12.2013 24.903 Menschen in den 6 Gemeinden.

Das Pilotprojekt für die zukünftige Entwicklung des Oberen Vetlintales in verschiedenen Wirtschaftsbereichen (mit Ausklammerung von Livigno mit seiner Wertschöpfung aus der Zollfreizone) soll der Europäischen Union zur Finanzierung in der nächsten Finanzperiode 2014-2020 vorgelegt werden.
Am 29. April war eine hochkarätige Delegation von leitenden Ministerialbeamten aus fünf verschiedenen Ministerien auf Informationstour im Oberen Veltlintal. Die Delegation wurde von Dr. Fabrizio Barca, dem Generaldirektor im Finanzministerium geleitet. In der Regierung von Ministerpräsident Mario Monti war  On. Fabrizio Barca zwischen November 2011 und April 2013 Minister für wirtschaftliche Entwicklungen.

Die Förderung des Binnenlandes
Mit dem italienischen Begriff „Aree interne dell´Italia“ wird jenes weite Gebiet im Landesinneren des italienischen Staatsgebietes zusammengefasst, das hügelig oder gebirgig ist, dessen landwirtschaftlichen Kulturflächen abnehmen und das häufig von Abwanderung oder Überalterung der Wohnbevölkerung betroffen ist. Diesen ländlichen Räumen sollen in der nächsten Siebenjahresperiode 2014-2020 über die EU-Strukturfonds als Finanzierungsinstrumente  der Europäischen Gemeinschaft Finanzmittel zugedacht werden. Kriterien für die Förderbarkeit sind dabei, dass Sachbereiche vernetzt und nachhaltige Entwicklungen eingeleitet werden.

Der Ansatz „Makroregionen“
Die Europäische Kommission denkt für die nächste Förderperiode an ein großräumigeres Konzept der sogenannten „Makroregionen“. Umgelegt auf das Gebiet der Alpen bedeutet dies, dass außer den Gebirgstälern auch die städtischen Zentren im Norden und Süden des Alpenbogens in die geographische Abgrenzung des Fördergebietes einbezogen werden sollen. Die PNS8474Ausweitung des Fördergebietes vom Berggebiet auf die großflächigeren Makroregionen mag vom konzeptionellen Ansatz her verständlich erscheinen, ist aber für das Berggebiet nicht unproblematisch. Am Beispiel Hochwasserschutz erläutert: Zur Überschwemmung in den vorgelagerten Ebenen tragen auch die Wasser aus den Bergen bei und daher ist die Aufteilung der Geldmittel zur Schadensbehebung auch in den Ebenen durchaus nachvollziehbar. Mehr als im Fördertopf enthalten ist, kann aber nicht daraus entnommen werden. Anders umgelegt: Wenn das verfügbare Geld auf 65 Millionen Menschen in der Makroregion um den Alpenbogen aufgeteilt wird, trifft es statistisch gesehen weniger Geldmittel pro Kopf, als wenn das Fördergebiet die 13,9 Mio. Bewohner der Alpen allein beträfe.

Die Alpen in Zahlen:

•    8 Staaten, 5.954 Gemeinden;
•    190.568 km2 Fläche (z. Vgl: Südtirol 7.400 km2~ 3,9%);
•    13,9 Mio. Einwohner, 60 Mio. Touristen als Besucher im Jahr;
•    13.000 Pflanzenarten und 30.000 Tierarten

Die Bedürfnisse des Oberen Veltlintales
In der eingangs erwähnten Anhörung vom 29. April haben Vertreter und Wissensträger aus den verschiedenen Sozial- und Wirtschaftsbereichen des Oberen Veltlintales die Bedürfnisse und Nöte in der Bezirksgemeinschaft Oberes Veltlin artikuliert.

Mobilität
Was die Erreichbarkeit betrifft, beklagen die Gemeindeverwalter des Oberen Veltlintales  die Lage als extremes Randgebiet, das von den großen Verkehrsachsen abgekoppelt ist. In der Zeit der Wintersperre des Stilfserjoches  und des San Bernardino-Passes ist das Veltin von Norden her nur über das bemautete Tunnel von Livigno erreichbar. Das Tunnel „Punt la Drossa“ steht  im Besitz der Engadiner Kraftwerke als privater Gesellschaft.
Die Eisenbahnverbindung von Mailand endet nach Umsteigen in Sondrio in Tirano. Tirano ist der Verknüpfungsbahnhof mit den Rhätischen Bahnen. Die Strecke des Bernina-Expresses ist zum Weltkulturerbe der UNESCO erhoben worden und erfreut sich als Touristenbahn eines spektakulären Benutzerzuspruchs. Die Eisenbahnlinie  Sondrio – Tirano fristet vergleichsweise dazu ein kärgliches Dasein als unattraktive Regionalbahn.
Der Ruf nach der Untertunnelung des Stilfserjochs verstummte im Oberen Vetlintal nie und wird wieder lauter. Die Veltliner Touristiker erwarten sich vom Tunnel die Anbindung an die Städte und Ballungszentren nördlich der Alpen. Derzeit stammen 70% der touristischen Wertschöpfung im Oberen Veltlintal aus dem Wintertourismus und 30% aus dem Sommertourismus.
Die Gemeindeverwaltung von Bormio betreibt mit einer Initiativgruppe die Bewerbung der Stilfserjoch-Passstraße zumWeltkulturerbe der UNESCO.

Die schulische Ausbildung
Was die schulische Ausbildung betrifft, haben die Pflichtschulen im Oberen Veltlintal das Problem aller Randgebiete: Häufiger Lehrerwechsel und schwankende Schülerzahlen. Doppelte Klassenzüge kommen nicht überall und nicht jährlich zustande. Häufiger Einsatz von Supplenzlehrern macht Schulorganisation schwierig.
Was das Angebot an Oberschulen betrifft, besteht in Bormio ein Oberschulzentrum mit Handelsoberschule, Hotelfachschule und Sport-Gymnasium. Die Hotelfachschule hat stabile, ja steigende Schülerzahlen.
Ein weiteres Problem des Oberen Veltlintales ist jenes, das vielen peripheren und ländlichen Räumen gemeinsam ist: die Abwanderung der Akademiker aus dem Gebiet nach deren Studienabschluss mangels qualifizierter Arbeitsplätze im Gebiet. Die meisten Veltlintaler Studenten besuchen die Universitäten von Mailand und Brescia. Mailand ist von Bormio 220 km oder drei Autostunden entfernt.

Die medizinische Versorgung
In der medizinischen Versorgung gibt es neben der Basismedizin in den einzelnen Gemeinden mit dem Bezirkskrankenhaus in Sondalo die Grundversorgung mit den Abteilungen für Interne Medizin, Chirurgie, Gynäkologie und Geburtshilfe. Das Krankenhaus „Morelli“ in Sondalo war vormals ein großes und anerkanntes Lungensanatorium, aufgeteilt auf vier große bauliche Strukturen. Heute ist nur mehr einer der vier Flügel als Bezirkskrankenhaus besetzt und benützt. Die restliche, architektonisch interessante und wertvolle Kubatur hart einer Bestimmung.

Die Landwirtschaft
Ein markanter und vielleicht der augenfälligste Unterschied zwischen dem Oberen Vinschgau und dem Oberen Veltlintal ist der flächenmäßig bedeutsame Verlust der Berglandwirtschaft im Veltlin. Viele Dauerwiesen werden im Oberen Veltlintal nicht mehr gemäht und verbuschen. Hangterrassierungen, an welchen vormals Ackerbau betrieben worden ist, sind aufgelassen worden. Bergmahder bleiben ungepflegt. In der Lombardei fehlt das rechtliche Instrument des geschlossenen Hofes. Der landwirtschaftliche Besitz ist nach Generationen langer Erbteilung kleinflächig und zerstückelt.
Zum Vergleich: In Südtirol beträgt der Anteil der Beschäftigten in der Landwirtschaft landesweit 10,0% der Erwerbstätigen, im Vinschgau 17,2%, während dem er im Oberen Veltintal unter 9% liegt.


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