Dienstag, 28 November 2017 00:00

Die Müll-Daten

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s6 tabmuell1Müll ist ein lästiges Nebenprodukt der Wohlstandsgesellschaft. Eine Analyse des Restmülls, das genaue Hinschauen in die Mülltonnen der Leute, ergibt allerdings: Es gibt noch Potenzial nach oben. Denn im Hausmüll sind immer noch Stoffe drinnen, die bei getrennter Sammlung recycelbar wären: Nachhol- bzw. Verbesserungsbedarf gibt es auch Im Vinschgau.

von Erwin Bernhart

Rund 410 Kilogramm pro Person und Jahr oder mehr als eine Tonne produziert eine vierköpfige Familie Müll im Jahr. Das ist eine stattliche Menge. Diese 400 Kilogramm beinhalten alles: Glas, Papier, organischen Abfall, Sperrmüll, Kunststoffe, Textilien, Metalle...


Von diesen gut 400 Kilogramm sind im Schnitt 163 Kilo Wert- und Schadstoffe, 100 Kilo organischer Abfall und rund 150 Kilo Siedlungsabfall also Restmüll. Diese Zahlen schlüsselt Andreas Marri auf. Wer etwas über den Müll, über dessen Zusammensetzung in Südtirol wissen will, kommt an Marri nicht vorbei. Marri ist als Techniker im Amt für Abfallwirtschaft für Deponien, Recyclinghöfe, Kompostieranlagen und Umladestationen im Lande zuständig.
Und er bereitet Daten auf. Neueste Daten liegen seit kurzem vor. Denn im Herbst 2016 und im Frühjahr 2017 wurde der Hausmüll aller Südtiroler Gemeinden sortiert und analysiert. Die Florenzer Firma Affidavit hat im Auftrag des Landes und unter der Koordination vom Amt für Abfallwirtschaft in Zusammenarbeit mit den Bezirksgemeinschaften diese Sortierung vorgenommen. So auch mit der Bezirksgemeinschaft Vinschgau.  Im  Vinschgau wurde die Sortierung beim Abfallwirtschaftszentrum „Söles“ für die 13 Gemeinden der Bezirksgemeinschaft Vinschgau durchgeführt. Für die Burggräfler Gemeinde, auch für Naturns, Plaus und Partschins bei der Müllumladestation in der Gemeinde Meran. Jeweils 1 Kubikmeter Restmüll wurde von jeder Gemeinde gesiebt und genauestens  sortiert. Vom 10. bis zum 15. April 2017 wurden damit zum Beispiel in Glurns insgesamt 13 Kubikmeter Müll unter die Lupe genommen, von den 13 Vinschger Gemeinden.
Der Bericht der Müllsortierung wurde dann auf mehr als 100 Seiten zusammengefasst, nach Bezirksgemeinschaften und für jede einzelne Gemeinde.
Das Wühlen im Müll ergibt Sonderbares, Nützliches, Interessantes, Erschreckendes  und vor allem auch Indizien dafür, dass Handlungsbedarf besteht. Auch im Vinschgau. Hansjörg Dietrich, der Leiter der Umweltdienste in der Bezirksgemeinschaft Vinschgau, hat ein Treffen mit Vertretern der Vinschger Gemeinden organisiert, bei dem der Datenwust aufgeschlüsselt werden soll. Marri wird gemeinsam mit dem Direktor des Amtes für Abfallwirtschaft Giulio Angelucci Anfang Dezember in den Vinschgau kommen und den Bürgermeistern bzw. den Umweltreferenten die Mülldaten erklären.

Fest steht, dass die Vinschger Gemeinden in ihrem Restmüll einige Anomalien gegenüber anderen Bezirkgemeinschaften  aufweisen. Etwa, dass sich im Restmüll viel Metall befindet. Im Vergleich zu den Pustertaler Gemeinden  fast doppelt so viel. Die Vinschger werfen mehr Metall in den Restmüll als der Durchschnitt in Südtirol. Andreas Marri hat keine schlüssige Erklärung dafür. Im Metallbereich werden sich die Umweltdienste in der Bezirksgemeinschaft bzw. die Gemeinden etwas einfallen lassen müssen. Denn Metall ist nicht brennbar, dafür aber gut verwertbar.

Oder bei den organischen Abfällen: Auch da liegt der Vinschgau gegenüber dem Pustertal weit vorne. Dazu sagt Marri, dass man gerade bei den organischen Abfällen zwischen Ober- und Untervinschgau unterscheiden müsse. Während es im Untervinschgau historisch gewachsene Sammlungen des organischen Abfalls gegeben hat, etwa in Naturns mit dem Hilbertal, in Schlanders mit Talair, ist der Obervinschgau erst verspätet in die aktive Bioabfallwirtschaft eingestiegen. In einige Recyclinghöfen im Obervinschgau könne Bioabfall abgegeben werden. „In Gemeinden, wo die getrennte Biomüllsammlung konsequent durchgeführt wird, beträgt der Anteil von Biomüll im Restmüll 26 Kilogramm pro Einwohner im Jahr, in jenen, wo dies noch nicht flächendeckend erfolgt ist, steigt dieser Wert auf bis zu 70 Kilogramm  pro Einwohner im Jahr“, sagte etwa Amtsdirektor Giulio Angelucci bei der Pressekonferenz am 25. Oktober 2017, bei der erstmals die Daten der Hausmüllanalyse vorgestellt worden sind.
70 Kilogramm Biomüll finden sich in keiner Gemeinde im Vinschgau, aber 50 Kilogramm schon, etwa in der Gemeinde Stilfs.
In Zukunft wird der Biomüll ohnehin aus ganz Südtirol nach Lana transportiert werden. Denn dort soll bis 2025 die Kapazität der bisherigen Biovergärungsanlage verdreifacht werden.

s7 tabmuell2Eine andere Anomalie weist der Vinschgau im Bereich Plastik auf. Doppelt so viel wie im Pustertal findet sich davon in den Restmüllcontainern der Vinschger Bevölkerung. Während sich der Anteil im Pustertal bei 16 % bewegt, ist der Wert in den Vinschger Gemeinden im Mittel bei mehr als 30 %. Schlanders etwa liegt mit gut 47% Kunstoffanteil im Restmüll an der Spitze des Vinschgaus, Stilfs dagegen hat nur 14 Prozent (der Durchschnitt in Südtirol liegt bei knapp 20%). Liegt dies an der Sammelstruktur, bei den Recyclinghöfen, an der Mentalität? Andreas Marri hat dafür nicht unbedingt eine Erklärung, aber eine konkrete Handlungsoption: Reine Kunststoffe, wie sie etwa Plastikflaschen aus Polyteylen (PET)  oder aus anderem Hartplastik sind, gehören getrennt gesammelt. Dafür stehen in den Recyclinghöfen Container bereit. Denn reine Kunststoffe lassen sich gut und mit vergleichbar geringem Aufwand recyceln.
Gemischte Verpackungsabfälle, landläufig Nylonfolien und andere Plastikabfälle sind im Restmüllcontainer bestens aufgehoben. Wie das? Marri hat eine stichhaltige Erklärung dafür: Werden solche Plastikabfälle getrennt gesammelt, gelangen die Abfälle über Umwege bis in die Sortieranlage bei Brescia, werden dort aufwändig getrennt und wandern dann als Brennstoffe nach Deutschland, Österreich oder sonstwohin, um dort in Brennöfen für die Zement- oder Ziegelherstellung ohnehin verbrannt zu werden. Was liegt also näher, als die gemischten Verpackungsabfälle über die Restmüllsammlungen und Verladestationen nach Bozen in den dortigen Brennofen zu transportieren, sagt Marri. Der Bozner Müllofen sei schließlich mit Südtiroler Steuergeldern gebaut worden. Ausgelegt ist der Brennofen auf 140.000 Jahrestonnen. Rechnet man die in Südtirol produzierte Restmüllmenge hoch, so werden knapp 100.000 Tonnen pro Jahr erzeugt.
Ob da die Müllerzeugung durch die Touristen miteingerechnet ist? Marri erklärt, dass die Restmüllmengen auf Einwohnergleichwerte umgelegt werden. Dem zugrunde liegen wiederum Zahlen, in die Südtirol als Tourismusdestination hineingepackt wird. Anstatt der Einwohneranzahl Südtirols von rund 524.000 Leuten nimmt man eine virtuelle Einwohnerzahl von knapp 640.000 Leuten. Damit sind die Nächtigungen der Touristen aufs ganze Jahr berechnet. Eine Annäherung, sagt Marri.
Im Hinblick auf den Müllofen in Bozen hat man den Restmüll der Südtiroler Gemeinden, so auch jener der Vinschger Gemeinden, auf ihren Brennwert hin untersucht. Ein Kilogramm Restmüll hat einen unteren Heizwert von 3,1 Kilowattstunden. Da unterscheiden sich die Gemeinden kaum voneinander. Dieser Heizwert ist für die Beschickung des  Brennofens in Bozen wichtig. Man kann nicht in kurzer Zeit unbegrenzt Mülle verfeuern, sondern man muss die Brennstoffzufuhr des Ofens genau steuern können.
Noch ein Rechenbeispiel: Pro Kopf und Jahr werden im Vinschgau 119 Kilogramm Restmüll produziert und nach Bozen zur Verbrennung geliefert. Legt man die Einwohnerzahl von 35.000 diesem Rechenbeispiel zugrunde, so ergibt sich eine Restmüllmenge von 4.165 Tonnen. Diese haben einen Energiegehalt von rund 13.000 Megawattstunden und würden einem Gegenwert von 1,3 Millionen Litern Heizöl entsprechen.

Marri lobt die bisherige Arbeit im Vinschgau und nennt unter anderem die Sanierung der Deponie in Glurns. Man habe sehr, sehr gut gearbeitet. Aber es bestehe auch Handlungsbedarf.
Das Beste, sagt Marri, ist die Müllvermeidung. Der Müll, der nicht entsteht, braucht weder transportiert noch verbrannt noch sonstwie behandelt werden. „Abfallvermeideung ist da sinnvollste“, sagt Marri auf die Frage, in welchem Bereich sich der Vinschgau bewegen soll. Als Zweites nennt Marri, dass der Ist-Zustand gehalten werden muss, die Anlagen sauber zu führen seien usw.. Informationsarbeit sei wichtig. Und beim Biomüll habe gerade der obere Vinschgau Nachholbedarf.

Möglicherweise werden die Visnchger bei den Pusterer nachfragen müssen, was diese in Sachen Müll besser machen. Die Pusterer produzieren im Schnitt 95 Kilogramm pro Kopf und Jahr Restmüll, im Vinschgau sind das 119 Kilo. Weniger Metalle, weniger Plastik, weniger Biomüll und weniger Kartone werfen die Pusterer in die Restmülltonne. Dafür mehr Kleider und mehr Problemstoffe als die Vinschger.

 

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