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Dienstag, 03 April 2018 12:00

Idee: „Amazon Vinschgau“

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s10 7888Vinschgerwind: Herr Spechtenhauser, Gratulation, Sie sind seit gestern (Mittwoch, 28. März, Anm. der Redaktion) wieder Bezirkspräsident des hds.
Dietmar Spechtenhauser (lacht): Dankeschön. Ich bin jetzt seit 8 Jahren Bezirkspräsident und hab mich für eine weitere Legislaturperiode bereit erklärt Bezirkspräsident zu sein.

Unsere Legislaturperiode ist heuer an die politische angepasst worden und dauert jetzt auch fünf und nicht mehr vier Jahre.
Vinschgerwind:Das heißt politisch gesehen haben Sie nach dieser Legislatur Mandatsbeschränkung.
Dietmar Spechtenhauser (lacht): Nein, das gibt es bei uns nicht. Aber was in fünf Jahren ist, sehen wir. Dieses Mal hatte ich noch Lust und Interesse mitzugestalten.
Vinschgerwind:Stichworte Lust und Interesse. Was muss man für das Ehrenamt des hds-Bezirkspräsidenten mitbringen?
Dietmar Spechtenhauser: Ich glaube, ideal ist, wenn man ganz früh gelernt hat ehrenamtlich tätig zu sein. Das hab ich durch die Laaser Musi erfahren dürfen. Ich bin seit ich 13 bin Musikant und da lernt man von der Pike auf Stunden herzugeben für die Gemeinschaft ohne dass man dafür vergütet wird. Ich glaube das prägt mich heute noch und so leiste ich meinen Beitrag bei den Kaufleuten im Dorf und auf Bezirksebene.
Vinschgerwind:Also anstatt Stunden zählen, Stunden schenken.
Dietmar Spechtenhauser: Genau, auch dass man ein Ziel vor Augen hat und dieses in den Mittelpunkt stellt und nicht was habe ich davon.
Vinschgerwind:Am vergangenen Donnerstag fand die Bezirksvollversammlung des hds statt. Was war die Botschaft unterm Strich?
Dietmar Spechtenhauser: Die Botschaft ist, dass das Handelsleben nicht leichter wird. Wie kein anderer Bereich ist der Handel vor große Herausforderungen gestellt, sprich Onlinehandel oder aus dem Boden schießende Einkaufszentren – im Ausland schon länger, jetzt auch im Inland. Das bringt die Kaufleute in Bedrängnis und stellt sie unter Zugzwang. Nichtsdestotrotz: Wir haben interessante und innovative, auch motivierte Kauffrauen und –männer und die stehen jeden Tag ihre Frau, ihren Mann und können ganz nahe bei den Kunden auf deren Bedürfnisse eingehen und das denke ich ist eine der wesentlichen Stärken im Vergleich zu den Einkaufszentren oder dem Onlinehandel. Und das ist aber auch die Stärke, die wir noch besser nutzen müssen. Auch freundlich zu sein und einen ehrlichen Zugang zum Kunden finden – dem Kunden so begegnen, wie man es selber gerne hätte. Das ist im Handel nicht anders, wie im täglichen Leben. Ein faires Verhältnis pflegen zum Kunden. Die Herausforderung ist auch gerade in der Vielfalt an Waren, die da ist, genau das Angebot herauszufiltern, das unsere Kunden brauchen. Das war immer die Aufgabe des Handels. Findig sein, kreativ zu sein, einzugehen auf den Geschmack des lokalen Kunden. Je besser das einer Kauffrau, einem Kaufmann gelingt, desto größer wird der Geschäftserfolg sein, den er hat.
Vinschgerwind:Standortentwicklung – Ortsentwicklung sind große Themen und waren auch bei der Bezirksversammlung Thema. Wie kann eine erfolgreiche Entwicklung gelingen?
Dietmar Spechtenhauser: Vor einem guten Jahr haben sich die Exekutivausschussmitglieder und Führungspersonen des landesweiten hds auf Schloss Goldrain getroffen und da ist unterm Strich ganz klar herausgekommen, dass die Vision des hds ist, Ortsentwickler zu sein und noch stärker zu werden. Dazu brauchen wir engagierte Kaufleute, die im Betrieb ihre Hausaufgaben machen und sich auch außerhalb vom Betrieb im Ort einbringen. Durch die Vielfalt, die dann idealerweise vorhanden ist – vom Angebot her aber auch von den Veranstaltungen, die in Zusammenarbeit mit den Tourismustreibenden und Gastwirten gemacht werden – wird ein Ort erlebbar gemacht und dadurch attraktiver und interessanter für Gäste und Einheimische gleichermaßen.
Vinschgerwind:Das heißt die Kaufleute sollen Ortsentwickler sein und werden?
Dietmar Spechtenhauser: Das hören viele Kaufleute nicht gerne, aber ich bin fest davon überzeugt, dass wir diese Aufgabe haben...
Vinschgerwind:... über den Geschäftsrand darüber zu schauen?
Dietmar Spechtenhauser: Ja, über unserer Geschäftstür hinaus einen Beitrag zu leisten. Es ist ein Spagat, der nicht immer leicht ist, das weiß ich, weil die Zeit fehlt, weil wir stark in unseren Betrieben eingebunden sind. Aber anderen Berufsgruppen geht es nicht anders. Wir können unsere Zeit selber gestalten und deshalb sagen einen bestimmten Prozentsatz meiner Zeit – und sei er noch so klein – den stelle ich für die Gemeinschaft, für das Dorf und letztlich wieder mir zur Verfügung.
Vinschgerwind:In Schlanders und in Glurns gibt es Marketingstellen, die diese Aufgabe übernehmen.
Dietmar Spechtenhauser: Ich beneide die Schlanderser um die Struktur Ortsmarketing. Ich würde mir das auch in anderen Orten wünschen. Ob das für jeden Ort finanzierbar ist, muss man schauen. Denn grundsätzlich muss ich schon sagen, kann man Ortsmarketing nicht von der Kaufleuteschaft allein erwarten. Es gibt Modelle, wo toll mit dem Büro des Tourismusvereins zusammengearbeitet wird. Denn wir haben ja viele gemeinsame Interessen und auch der Gast will eine interessante Einkaufsmöglichkeit. Ich glaube wir sind ein interessanter Teil des Tourismus, die inhabergeführten Geschäfte, wo jeder nach seinem Geschmack sein Sortiment führt. Da unterscheiden wir uns schon wesentlich von anderen Orten, wo alles gleichgeschaltet ist mit Filialisten. Da ist die Abwechslung relativ klein und bei uns ist das Gegenteil der Fall. Ein bestimmtes Budget sollte einfach für Ortsmarketing bereit stehen.
Vinschgerwind:Ein Topf, der von Tourismustreibenden, Kaufleuten, Gastwirten gefüllt wird.
Dietmar Spechtenhauser: Auch die Gemeinden könnten da einen Beitrag leisten.
Vinschgerwind:Sollten ihren Beitrag leisten.
Dietmar Spechtenhauser: Aus dem heraus könnte sich auf jeden Fall eine Zusammenarbeit herausentwickeln, die für alle fruchtbringend ist.
Vinschgerwind: Sie haben den Internethandel angesprochen. Wie kann man diesem Phänomen begegnen?
Dietmar Spechtenhauser: Vor allem bei den jüngeren Kunden ist das ein Thema. Ich mache niemandem einen Vorwurf: Es ist bequem, man ist schnell drinnen im Netz, man kann Preise vergleichen. Gerade der Preisvergleich ist für den Handel eine große Herausforderung, das hat es vor zehn Jahren noch nicht gegeben. Es gibt Modelle in Deutschland, wo Städte einen kleinen Amazon aufgebaut haben. Da gibt es Anbieter und jeder Händler, der da beteiligt ist, hat einen kleinen Shop integriert in dem großen Stadtshop und zugestellt werden die Waren über den lokalen Taxifahrer oder einen Lebensmittelhändler. Also: Der Lebensmittelhändler XY nimmt die Ware vom Elektroshop A mit und liefert sie an Adresse C. Das passiert innerhalb eines Tages, ist also noch schneller als Amazon. Also da ist alles lokal organisiert und das werden wir uns jetzt genauer anschauen.
Vinschgerwind:Die Idee ist also ein Amazon Vinschgau?
Dietmar Spechtenhauser: Ja, so ungefähr, das hat nichts mit Amazon zu tun, aber das Prinzip ist so. Beispiel: wir-in-guenzburg.de. Die Internet-Realität ist da, sie wird immer stärker und wir werden uns da umschauen. Ich glaube aber, dass der Händler, der seine Kunden fair pflegt, konkurrenzfähig ist und bleibt.
Vinschgerwind:Was beschäftigt die Kaufleute im Vinschgau noch?
Dietmar Spechtenhauser: Das ist ganz unterschiedlich. Die Sonntagsöffnungszeiten sind ein Thema im ländlichen Raum, die Stadt ist das ja schon eine Realität, den einen oder anderen Sonntag geöffnet zu halten. Die Einkaufszentren sowieso, die Umsätze sind da Richtung Wochenende verlagert worden. Wir sagen einfach: der Wert vom Sonntag geht so verloren, Südtirol hat eine andere Tradition. Das hören zwar manche Kaufleute auch nicht gerne.
Vinschgerwind:Das heißt unter der Kaufleuteschaft gibt es unterschiedliche Meinungen zu diesem Thema?
Dietmar Spechtenhauser: Ja, und deshalb ist es auch nicht ganz leicht. Das Gesetz von Monti ist jetzt genau 6 Jahre alt, seitdem darf jeder 365 Tage im Jahr offen halten. Die Landesregierung möchte wieder einige Schließsonntage im Jahr einführen. Das sollte wieder ein Schritt in Richtung Wertschätzung des Sonntags sein. Auch um ein Gleichgewicht zwischen dem Großen, der personell ganz anders ausgestattet ist und dem Kleinen wieder herzustellen.
Vinschgerwind: Abschließend: Worauf dürfen die Kaufleute im Vinschgau stolz sein?
Dietmar Spechtenhauser: Ich glaube, stolz sein dürfen die Kaufleute, dass es sie noch gibt. Und nicht nur, dass es uns noch gibt, denn das würde zu kurz greifen, sondern, dass es viele tolle, innovative Geschäfte gibt, junge und junggebliebene, motivierte Geschäftsleute, die sich immer wieder neu erfinden und den Herausforderungen mit interessanten Ideen begegnen. Wir können ohne weiteres selbstbewusst auftreten, wir erfüllen unsere Aufgaben und schaffen auch wertvolle Arbeitsplätze und dementsprechend...
Vinschgerwind: ... sind Sie stolz auf die Kaufleute im Vinschgau?
Dietmar Spechtenhauser: Ja, auf jeden Fall.
Interview: Angelika Ploner

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