Der beschissene Gerichtsvollzieher (1. Teil)

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Aus dem Gerichtssaal - Diese Geschichte hat sich zugetragen als Schlanders noch ein eigener Gerichtsort war mit allen dazugehörigen Einrichtungen und Personalien. Der Sitz des Gerichts war in der Schlandersburg (Bild). Im Erdgeschoss, wo heute Landesämter untergebracht sind, befand sich das Gefängnis. Einer der Aufseher war der legendäre Hans Schönthaler, ein glühender Verfechter und Pionier des sog. offenen Strafvollzugs, soll heißen: sinnvolle Beschäftigung der Häftlinge anstelle von stumpfsinnigem Absitzen der Strafe. Die ihm anvertrauten Gefangenen hatten untertags „Freigang“, um sich bei den Bauern eine Marende und ein Taschengeld zu verdienen. Am Abend machte der Aufseher dann eine Runde durch die Gasthäuser, um seine Häftlinge einzusammeln und über Nacht wieder in sicheren Gewahrsam zu nehmen. Noch lieber war ihm jedoch, wenn er den Insassen des Tschumpus in seinem Weingut in Vezzan eine sinnvolle und nützliche Beschäftigungstherapie angedeihen lassen konnte.
Zum Stammpersonal des Gerichts gehörte auch ein Gerichtsvollzieher. Er stammte aus dem Süden Italiens, aus einer Stadt an einem wunderschönen Golf gelegen, in deren Hintergrund sich ein Vulkan erhebt. Zu den Besonderheiten dieser Stadt gehört, dass deren Bewohner wahre Künstler sind, weil sie die Kunst des Sich-Durchwurstelns („L‘arte dell’arrangiarsi“) meisterhaft beherrschen. Ich konnte mich persönlich einmal davon anlässlich eines Auftritts vor dem dortigen Gericht überzeugen, als mich am Eingang Männer ansprachen und mir ihre Visitenkarte in die Hand drückten, auf der ihr Name stand und als Beruf jener des „testimone oculare“, also des „Augenzeugen“ angegeben war! Nun, dieser Gerichtsvollzieher aus der Stadt am wunderschönen Golfe hatte auch so seine Eigenheiten. Eine davon war, dass er zu den Versteigerungen auch gleich die Käufer mitbrachte, welche die Pfandsachen in der Regel um einen Pappenstiel ersteigerten und dann gleich abtransportierten. Natürlich fiel dabei auch für den Exekutor ein fetter Brocken ab! Diese seine Gewohnheiten waren bekannt. Ich hatte in der Malser Gegend eine Zwangsvollstreckung laufen, bei der 3 Kühe und 4 Kälber zur Versteigerung anstanden. Schlimmes ahnend begab ich mich vorsichtshalber an den Ort des Geschehens. Tatsächlich warteten dort bereits die Komplizen des Exekutors mit einem Viehtransporter. Also beteiligte ich mich kurzerhand persönlich an der Versteigerung. Doch als der Gerichtsvollzieher den Bietvorgang mit den Worten:“ dichiaro aperta l’asta“, eröffnete, kam es zu einem Eklat: Eine der Kühe hob ihren Schwanz und schiss dem Exekutor eine lautere Flade geradewegs vor die Nase! Über den weiteren Verlauf der Versteigerung berichten wir in der nächsten Ausgabe!

Peter Tappeiner Rechtsanwalt

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