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Dienstag, 14 Juni 2011 00:00

„Was ich sagen will, will ich nicht sagen“

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Menschen - Ulrich Egger - Meran/ St. Valentin

s15_1Ulrich Egger treffe ich, wie schon vor über 10 Jahren, vor der LBA Meran. Für mich ist es immer noch die LBA, für ihn scheinbar auch. Damals war ich seine Schülerin, er mein Kunstlehrer. Heute haben sich die Realitäten nur zum Teil geändert.
Einen „lockeren Typen“ nannten wir ihn als Schüler, unkompliziert und in jeder Hinsicht mehr Künstler als Lehrer. Wer sich in seinem Kunstunterricht was traute, wer kreativ war und nicht „brav Bilder malte“, wurde belohnt. Mit guten Noten und dem wohltuenden Gefühl, etwas Eigenständiges, Wertvolles geschaffen zu haben.

Ulrich Egger ist mittlerweile wieder Lehrer des Pädagogischen Gymnasiums, nicht weil er das finanziell nötig hätte, einfach weil es ihm Spaß macht, seine Erfahrungen an die Schüler weiterzugeben und mit ihnen zu arbeiten, Kreatives aus ihnen herauszukitzeln.
In erster Linie ist Egger aber Vollblutbildhauer und Fotograf. Eigentlich Fotograf mit der Arbeits- und Sichtweise eines Bildhauers. Geboren wurde er 1959 in St. Valentin auf der Haide. Von seinem Geburtsort hat er sich allerdings emotional und räumlich distanziert. „Zu viel passiert“, so sein knapper Kommentar bei einem Kaffee im Kunsthaus, wo er zurzeit auch ausstellt.
Hier in Meran fühlt er sich sichtlich wohl, sein Atelier hat er in der Lananer Industriezone. Dort hat er sich auch seinen wüsten Unfall an der linken Hand zugezogen. Ein Sägeblatt war schuld daran, ein Künstler der gerne selber anpackt.
Die Kunstakademie in Florenz hat Egger 1985 im Fach Bildhauerei abgeschlossen, heute arbeitet er allerdings zu 70 Prozent als Fotograf für Architekten europaweit. Das Verhältnis zwischen Kunst und Architektur interessiert ihn im Moment am meisten. „Skulpturen fertige ich nur mehr auf Auftrag.“
Einige kennen vielleicht die Krankenhauskapelle von Meran oder Schlanders, oder den „großen Löffel“ im Park zwischen dem Bahnhof Meran und der Hotelfachschule Kaiserhof. So jedenfalls nannten wir Schüler und damit Laien salopp seine vier Meter hohe Großraumplastik. „Das Maß der Leere“ ist der eigentliche Titel, wobei sich Egger mit der Namensgebung seiner ehemaligen Schüler nicht auf den Schlips getreten fühlt.
Überhaupt ist Ulrich Egger auf dem Teppich geblieben, was ein Gespräch mit ihm angenehm macht. Trotz seiner großen Erfolge, seiner regen Ausstellungstätigkeit in ganz Italien und dem Ausland. Im Gegenteil: Weil er weiß, wie abgehoben die Kunstszene ist, holte er sich durch intensives Laufen wieder auf den Boden der Realität zurück, „sich wieder erden“, nennt er es.
Dieses „Erden“ half ihm auch bei seinen letzten künstlerischen Betrachtungen über die Veränderungen unserer gegenwärtigen Welt, über die unendliche Reproduzierbarkeit der Peripherien.
Bauen, Errichten, Urbanisieren ist Teil und Muss unserer Welt. Auf das Verhältnis zur Natur wirft dies allerdings einen großen Schatten. Seine Fotografien fangen nicht nur statische Formen ein, sondern suchen menschliche Spuren inmitten s15_madre2der Gleichförmigkeit von Mietskasernen und uniformen Siedlungen.
Egger Ulrich lässt seine Fotografien ins Plastische übergehen und enthüllt so eine Welt in ständigem Wiederaufbau, in der die Natur scheinbar nicht mehr notwendig ist. In seine Abbildungen greift er mit echten Baumaterialien, Objekten und Naturelementen ein. Eine starke Realität entsteht so für den Betrachter.
Der Künstler erzählt schweigend.  Er lässt sich nicht in die Seele hineinschauen.
„In dem Moment, wo ein Künstler die Anima seines Kunstwerkes veräußert, geht das Kunstwerk kaputt“, oder, um den Beginn aufzugreifen: „Was ich sagen will, will ich nicht sagen.“

Karin Thöni


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