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Dienstag, 04 Oktober 2016 09:06

Weitere Tschumpusgeschichten

Aus dem Gerichtssaal - In der letzten Rubrik haben wir über den „kreativen“ Strafvollzug im früheren Schlanderser Bezirksgefängnis berichtet. Dabei „federführend“ war der damalige Aufseher Hans Schönthaler. In der Zwischenzeit kamen mir Erzählungen zu Ohren, wonach in der Nachkriegszeit und in den 1950-iger Jahren der Freigang der Häftlinge sogar von „höchster “Stelle, nämlich von dem aus Triest stammenden Bezirksrichter Bitti persönlich „abgesegnet“ und organisiert wurde. Demnach wandten sich Bauern oder Handwerker, die ein paar „kräftige Hände“ brauchten, an den Richter, der ihnen seine „Schützlinge“ für Tagschichten gegen Verköstigung und ein kleines Trinkgeld für die „Taglöhner“ „auslieh“. Natürlich waren die Freigänger keine „schweren Jungs“, sondern vielmehr wegen Bagatelldelikten wie Schmuggel, Wilderns, Raufereien oder Trunkenheit einsitzende einheimische „Sträflinge“. Und den so „Beliehenen“ nahm der Richter außerdem die quasi „eidesstattliche Versicherung“ ab, dass sie ihm seine Häftlinge am Abend wieder wohlbehalten in ihren Zellen abliefern würden. Von einem solchen „Gefangenenaustausch“ erzählte mir der Künstler Michl Höllrigl. Er war als Dreizehnjähriger bei der Familie Schweitzer in Schlanders den Sommer über als Hüterbub beschäftigt. Eines Tages erhielt er den Auftrag, nicht die Kühe auf die Weide zu treiben, sondern Häftlinge aus dem Gefängnis abzuholen und sie an ihren Arbeitsplatz auf dem „Schweitzerhof“ zu führen! Nun war der vom Richter Bitti praktizierte Strafvollzug zwar vernünftig und für die damalige Zeit geradezu revolutionär, allerdings alles andere als legal. Doch war dieser eine viel zu starke Persönlichkeit und außerdem seiner Pensionierung nahe, sodass er sich die Freiheiten glaubte leisten zu können. Unter heutigen Verhältnisses hätten solche Einzelgänger jedenfalls kein langes Leben, denn mit der Verrechtlichung aller Lebensbereiche geht auch eine Entmenschlichung der sozialen Beziehungen einher. Und außerdem haben die Auflassung aller peripheren Einrichtungen und deren Konzentration in Bozen zwar vielleicht die Kosten der Justiz gesenkt, doch diese zugleich noch weiter vom Bürger weg gebracht.

Peter Tappeiner,  Rechtsanwalt

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Publiziert in Ausgabe 20/2016

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