„I bin olm mitn Dokumentn-Köfferle grennt...“

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Robert Luzius Wolf, geboren 1941, Laatsch, mit dem  Dokumentenköfferle, das er als Bub in Ried in Oberösterreich bei jedem Fliegeralarm mit in den Luftschutzbunker nehmen und darauf aufpassen musste. Robert Luzius Wolf, geboren 1941, Laatsch, mit dem Dokumentenköfferle, das er als Bub in Ried in Oberösterreich bei jedem Fliegeralarm mit in den Luftschutzbunker nehmen und darauf aufpassen musste.

Der ehemalige Lehrer Robert Luzius Wolf aus Laatsch hat unzähligen Kindern das Lesen und Schreiben beigebracht und sich ehrenamtlich in den Dienst der Allgemeinheit gestellt. Mit der Verdienstmedaille des Landes Tirol wurden sein Einsatz im vergangenen August gewürdigt.

von Magdalena Dietl Sapelza

Robert kam als zehntes Kind der Laatscher Optantenfamilie Wolf in Waldzell in Oberösterreich 1941 zur Welt. Seine Eltern hatten die Heimat Laatsch 1940 mit Kind und Kegel verlassen. Der Vater fand Arbeit als Zimmermann. Seine frühe Kindheit verbrachte Robert in der Südtiroler-Siedlung in Ried, wo sieben weitere Optanten-Familien Unterkunft gefunden hatten. Er erinnert sich an so manchen Fliegeralarm und an die Flucht in den nahen Luftschutzbunker. „I bin olm mitn Dokumente-Köfferle grennt, weil pa inz hot jeder eppas mitnemmen gmiaßt“. Von den amerikanischen Soldaten, die in der Nähe einquartiert waren, erbettelte er sich Süßigkeiten. Mit Unverständnis beobachtete er, wie diese dann vor dem Abzug ihre überschüssigen Lebensmittel in einem Erdloch verbrannten.
1947 verbrachte Robert erstmals die Sommerfrische bei seinem Onkel in Laatsch. „Dr Vetter Sepp hot af inser Haus gschaug“, sagt Robert. Während der Abwesenheit sei das Haus zeitweise von Besatzern genutzt worden. Zwei Jahre später zog seine Familie wieder dort ein. „Dr Obschied aus Ried isch inz nit schwar gfolln, denn s`Hoamweah isch olm a Thema gweesn“, meint er. „Unt dr Voter hot do aa norr a Orbat kriag.“
Robert stieg in die dritte Klasse Volksschule ein, wo er gut aufgenommen wurde, denn viele seiner Klassenkameraden kannte er aus der Sommerfrisch-Zeit. Neu für ihn war der Italienisch-Unterricht, an dem er anfangs arg zu knabbern hatte. Als fleißiger Schüler holte er den Lehrstoff jedoch bald auf. Den Sommer verbrachte er einige Jahre als Hütbub auf der Alm, wo er eine Kleinigkeit verdiente.
Regelmäßig besuchte Robert die Gottesdienste und war ein eifriger Ministrant. Deshalb wollte ihn der Pfarrer auch zu einem geistlichen Beruf hinführen. Nach dem Abschluss der fünften Volksschulklasse vermittelte er ihn ins Vinzentinum nach Brixen. Robert war dort einer von 250 Schülern. Mit 30 Knaben teilte er sich den großen Schlafsaal. „Do hoobmer inz oft tratzt unt long Orbat pan Inschlofn kopp,“ lacht er, „weil’s di Aufsicht nit derschaug hot“. Acht Jahre verbrachte er in Brixen. „Noch dr Matura muasch norr entscheiden, geasch über’s Brüggele ins Priesterseminar oder nit“, meint er. Er entschied sich dagegen und bereitete sich als Privatist auf die staatliche Matura an der LBA in Meran vor. Das Vorbereitungsjahr verbrachte er im Rediffianum am Rennweg, wo er als Präfekt Heimschüler beaufsichtigte und dafür kostenlos Kost und Unterkunft erhielt. Nach der Matura 1964 begann Robert als Junglehrer in Planeil. 18 Augenpaare blickten ihn fragend an. „Dia sein gonz schüchtern gweesn unt hattn umman Leahrer an liabscht an großn Bogn gmocht“, beschreibt er. Doch schon bald entspannte sich die Beziehung, und es baute sich ein Vertrauensverhältnis auf. Robert wohnte im Schulhaus und fühlte sich in der kleinen Dorfgemeinschaft wohl. Bei einem Tanzabend im „Gasthof Gemse“ lernte er die zwei Jahre jüngere Anna Punter kennen, die ein Jahr später als seine Frau zu ihm zog und die ihm vier Kinder schenkte.
Bereits kurz nach der Hochzeit musste er seine Frau alleine lassen, denn der Militärdienst in Florenz war abzuleisten. Nach der Geburt der ersten Tochter erhielt er dann die frühzeitige Entlassung.
1972 trat Robert die Lehrerstelle in Mals an und bezog dort mit seiner Familie eine Wohnung. Anfangs der 1980er Jahre begann er mit der Renovierung seines Elternhauses in Laatsch und zog dann 1985 dort ein.
Drei Jahre später wechselte er als Lehrer von Mals in seinen Heimatort, wo er bis zu seiner Pensionierung 1990 tätig war. Da der Lehrergehalt lange Zeit sehr knapp bemessen war, verdiente er sich in den Sommermonaten gelegentlich ein Zubrot als Nachtportier in Hotels in der Schweiz und im Vinschgau. Seine Frau hielt ihm daheim den Rücken frei.
Robert stellte sich ehrenamtlich in den Dienst der Allgemeinheit, zuerst in Mals und dann in Laatsch, als Sänger im Männer- und Kirchenchor und als Mitglied des Pfarrgemeinderates. Tätig ist er heute noch als Pfarrgemeinderatspräsident, als Pfarrverantwortlicher und gelegentlich als Wortgottesdienst-Leiter in Laatsch. Er hat die Mesner-Dienste für die Kirchen St. Leonhard und St. Cäsarius übernommen, wo er auf Wunsch auch Führungen anbietet. Für den Blumenschmuck sorgt seine Frau.
Über die Verdienstmedaille hat Robert sich gefreut. Doch irgendwie empfindet er die Medaille auch als Last. „Ma fühlt iaz di Verpflichtung, weiterhin zu entsprechen“, meint er. „Vorher isch olz ungezwungener gweesn.“ Den Kontakt zu seinen Bekannten in Ried hielt er immer aufrecht, zu seine Patin, die inzwischen verstorben ist, und zu seiner Ziehschwester Roswitha. Diese hatten seine Eltern einst in Ried in Pflege genommen. Bei der Rückkehr durften sie die Kleine aus rechtlichen Gründen nicht nach Südtirol mitnehmen. Gelegentlich kommt sie nach Laatsch und tauscht mit Robert Erinnerungen aus. Vor kurzem hat sie ihm persönlich zu seiner Ehrung gratuliert.

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