Eine Premiere war es zwar nicht, denn auch der Kandidat zur Europawahl wurde von der Basis ermittelt. Der SVP-BezirkVinschgau hat vor knapp fünf Jahren ebenfalls eine Mitgliederwahl durchgeführt und so die Kandidaten für die damalige Landtagswahl ermittelt. Mit Erfolg, denn der Vinschgau stellt seither mit Richard Theiner und Sepp Noggler zwei Abgeordnete im Südtiroler Landtag.
Und nun also die SVP Basiswahl für die Kandidaten für die Parlamentswahlen. Als eine Art Test für die Vorwahlen der Landtagskandidaten, für die Vorwahlen des SVP-Spitzenkandidaten. Der Test ist geglückt.
Die Basiswahl am vergangenen Sonntag, das ist nicht zu leugnen, bringt frischen Wind aus dem Westen. Albrecht Plangger, der langjährige BM der Gemeinde Graun, im Lande als „Strom-Rebell“ aufgefallen und bekannt, ist als Sieger dieser Basiswahl hervorgegangen. Plangger ist nun SVP-Spitzenkandidat für die „Camera dei Deputati“, für die Abgeordnetenkammer. Renate Gebhard und Daniel Alfreider sind an die zweite bzw. dritte Stelle der Kandidatenliste gereiht. Die Kandidaten für die Kammer mussten sich den Vorwahlen landesweit stellen. Denn für die Kammer gibt es keine ausgewiesenen Wahlkreise und bei der „Mutter aller Schlachten“ (Karl Zeller) am 24. Februar 2013 gibt es keine Personenwahl. Da kann nur mehr das Listenzeichen angekreuzt werden. Und deswegen kommt es für die Kandidaten auf die Reihung auf der Liste an. Plangger ist Nummer 1 auf der SVP-Liste. Das einzige, das Plangger auf den Weg nach Rom aufhalten kann, ist, dass die SVP unter einen Stimmenanteil von weniger als 20 Prozent in der Region Trentino-Südtirol bleibt, oder unter 40 Prozent in der Provinz Südtirol.
Übersteigt die SVP diese Hürde dann sind sogar drei Sitze in der Kammer möglich. Denn die SVP hat einen Deal mit Pier Luigi Bersani gemacht. Der Spitzenkandidat des „Partito Democratico“ wird als neuer Premierminister Italiens gehandelt. Erreicht der PD in Italien die Mehrheit, gibt es - die italienische Wahlordnung macht’s möglich - einen Mehrheitsbonus. Dieser Bonus kann der SVP zugute kommen - mit einem dritten Mandat für die Abgeordnetenkammer.
Weniger kompliziert ist die Wahl für den Senat. Da gibt es genau defininierte Wahlkreise. Der Wahlkreis für den Westen Südtirols ist der Vinschgau, das Burggrafenamt (bis Terlan) und das Sarntal. Wer in diesem Wahlkreis die meisten Stimmen bekommt, ist als Senator gewählt. Manfred Pinzger ist auf diesem sicheren Wahl-Terrain 2006 in den Senat gekommen. Pinzger ist als Senator ausgestiegen. Er will HGV-Präsident werden, so die offizielle Version. Als nicht unwahrscheinliche Version gilt eine andere: Weil Karl Zeller, der seit 1994 als SVP-Kammerabgeordneter in Rom ist, eher kalte Füße vor einer landesweiten SVP-Basiswahl hatte, hat er eine Kandidatur für den Senat angestrebt. Vorwahlen sind da nur im Senatswahlkreis zu machen. Der parteiinterne Gegner, der Terlaner BM Klaus Runer, war da eher ein Sparringspartner. Zeller konnte die SVP-Vorwahlen mit knapp 80 Prozent der Stimmen für sich entscheiden. Zeller wird also locker in den italienischen Senat einziehen. „Weil die politische Musik in der kommenden Legislatur im Senat spielen wird“, begründet Zeller seinen Wechsel von der Kammer in Richtung Senat. Im Senatswahlkreis Ost, im Pustertal, hatte es der amtierende Landesrat Hans Berger schwieriger. Mit knapp 67 Prozent konnte er sich in den SVP-Vorwahlen gegen Michael Gostner durchsetzen. Bergers Kandidatur für den Senat wird wohl eine Rotation in der Landesregierung nach sich ziehen. Auf Bergers Nachfolge wartet Arnold Schuler, der damit einen weiteren Paradigmenwechsel in der Partei einleiten wird. Auch frischer Wind aus dem Westen.
Hinter den nackten Ergebnissen der Vorwahlen steckt allerdings ein für die SVP bedeutenderes Signal: Aufbruchstimmung. Eine „spürbar positive Stimmung“ ortet etwa SVP-Landessekretär Philipp Achammer und in der Stimme des Landessekretärs liegt mehr als Zweckoptimismus.
Tatsache ist, dass sich rund 40 Prozent der SVP-Mitglieder an diesen Vorwahlen beteiligt haben. Der Vinschgau hat sich mit einer Wahlbeteiligung von etwas mehr als 57 Prozent besonders hervorgetan. In keinem anderen Bezirk des Landes hat es eine derart hohe Wahlbeteiligung gegeben. „Zudem haben im Vinschgau prozentuell am meisten Wahllokale bis 19 Uhr geöffnet gehabt“, freut sich Achammer. Dass sich die SVP-Funktionäre im Vinschgau derart ins Zeug gelegt haben, hat zum Einen mit dem Kandidaten Albrecht Plangger zu tun. Der Vinschgau hat damit das Signal zum parteiinternen Pradigmenwechsel gesetzt. Plangger steht für eigene Inhalte, der Stromstreit - bei dem es grundsätzlich darum geht, die Gemeinden an der Stromgeschichte zu beteiligen - ist einer dieser Inhalte. Ein zweiter Inhalt sind die Hartnäckigkeit, die Beharrlichkeit, das Aufbäumen, das Streiten und auch das Streben nach Kompromissen, die Plangger in der Vergangenheit an den Tag gelegt hat. Dass Reibereien mit Bozen, auch mit LH Luis Durnwalder, damit vorprogrammiert und auch in Kauf genommen worden sind, hat im Vinschgau und darüber hinaus imponiert. Während andere von einem neuen politischen Stil sprechen, einen solchen einfordern, verkörpert Plangger einen solchen. Mit Plangger bekommt der Vinschgau wohl einen direkteren Ansprechpartner in Rom als er es bisher hatte. Das Duo Zeller/Plangger ist im Vinschgau ebenfalls nicht neu. Zeller hat die Vinschger im Stromstreit immer unterstützt.
Was die SVP-Funktionären im Vinschau noch angetrieben haben dürfte ist der Umstand, dass sich der Vinschgau bei den letzten Landtagswahlen als Hochburg der Freiheitlichen entpuppt hat. Dem wollte man mit der Durchführung der Basiswahlen entgegenwirken.
Allerdings: Nicht einmal bei einer parteiinternen Vorwahl können sich Verbände im vorpolitsichen Raum neutral verhalten. So hat etwa der Südtiroler Bauernbund am Samstag vor der SVP-internen Wahl eine SMS an seine Mitglieder verschickt mit der unverhohlenen Aufforderung: „Der SBB empfiehlt allen Wahlberechtigten des Senatswahlkreises West, am 6. Jänner zur Basiswahl zu gehen und für Karl Zeller zu stimmen. Der Bezirksobmann“. Sigmund Kripp, Bauer auf der Stachlburg in Partschins wettert gegen diese Praxis: „Es ist und bleibt ein Skandal, wie der SBB seine Strukturen zugunsten einer einzigen politischen Partei weiterhin missbraucht!“ Auch Sigmar Stocker, der als Senatskandidat für die Freiheitlichen ausgerechnet gegen Karl Zeller in den Wahlkampf zeihen wird, hat diesselbe Bauernbund-SMS an die Medien weitergeleitet. Gegen Karl Zeller tritt noch ein Schwergewicht in den Senatswahlkampf: die Grüne Christina Kury. In Karls Wahlkreis, die Stadt Meran gehört da dazu, wird sich die SVP demnach warm anziehen müssen.