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Sulden am Ortler

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Vor mehr als 180 Jahren war Sulden noch ein unbekannter, einsamer Ort, eingeschlossen von hohen Bergen und Gletschern und nur durch einen rauen Saumpfad mit der Außenwelt verbunden.

Text und Fotos: Cornelia Knoll

 

Die Bewohner des Tales, eine kleine Gemeinde von 10 Familien, die auf Einzelhöfen lebten, führten ein kümmerliches Leben als Bauern und konnten ihre Familie nur mit großer Müh und Not ernähren.
Touristen gab es damals noch keine und selbst in den größeren Städten Tirols, hatte man über das Suldental nur dunkle Vorstellungen von Menschen die auf Wölfen reiten und mit Bären aus einer Schüssel essen. Im historischen Innsbrucker Wochenblatt von 1802 wurde Sulden als „Sibiren Tirols" bezeichnet.
s40 IMG 20221125 110526Im Jahre 1860 zogen sich die bis ins Tal reichenden Gletscherzungen zurück und die ersten Bergsteiger machten sich auf den 4 stündigen Weg nach Sulden um diese herrliche, von weitem erkennbare Berglandschaft zu erkunden.
Doch gab es für diese Besucher damals noch keine Unterkunftsmöglichkeiten und so musste der Stadel des Pfarrers Eller als erste Herberge herhalten, später gab es die ersten 6 Gästebetten im Pfarrhaus.
Schon bald reichten auch diese nicht mehr aus und so entstanden ab dem Jahre 1870 die ersten größeren Gasthöfe (Eller, Post, Tembl, Gampen, Pinggera) sowie kleinere Pensionen. Endlich konnten sich nun die ehemals bettelarmen Suldner etwas Geld als Bergführer und Wirtshausbetreiber verdienen.
1892 wurde die lang ersehnte Straße nach Sulden eingeweiht. Das damalige Luxushotel „Grand Hotel Sulden“, erbaut von Schmidt und Christomannos, eröffnete seine Tore und beherbergte bekannte Gästen aus aller Welt: Madame Rothschild, Winston Churchill, den Komponisten Richard Strauss, sowie den Nobelpreisträger Professor Planck.
Sobald aber im Herbst der erste Schnee fiel und die Nächte eisig kalt wurden, verwandelte sich Sulden wieder in das einst so einsame Hirtendorf. Es gab damals ja kaum Strom und schon gar keine Zentralheizungen und somit auch keine Gäste. Der lange, eiskalte Winter gehörte den Suldnern ganz alleine.
s40 IMG 20220206 135953Erst in den 1930 er Jahren entwickelte sich langsam der Wintersport in Sulden. Erste Neugierige schulterten ihre Holzbrettln, zogen ihre filzernen Pumphosen an, buchten ihren Bergführer und machten sich auf die mühseligen, langen Anstiege hinauf zum Cevedale, zur Suldenspitze, um dann im tiefen Neuschnee ihre Ski-Spuren hinunter ins Tal zu ziehen.
Nach dem völligen Stillstand der Wintersaison während des 2. Weltkrieges kamen 1950 wieder einzelne Wintergäste nach Sulden. Aufgrund der absoluten Schneesicherheit und unzähliger Skitourenmöglichkeiten wurde das Suldental rasch in weiten Kreisen bekannt und zog Jahr für Jahr immer mehr Skibegeisterte ins Tal.
Mit Hilfe des Skipioniers Oskar Külken sowie Hans Marini, wurde die erste Skischule gegründet und die Suldner zu Skilehrern ausgebildet. Das Rosimtal, das Zaytal, der Cevedale-, der Suldengletscher boten sich als erste Übungshänge an. Die Skier wurden von eigens engagierten Skiträgern hinaufgeschleppt.

Der erste Dorf-Skilift 1951 war der Soldanellahang. Es war ein Skilift mit einem Hanfseil an dem sich der Skifahrer festhalten konnte und per Antriebsmotor 100 m nach oben gezogen wurden.
Bald darauf wollte jeder Gastwirt so einen Skilift sein Eigen nennen und somit sprossen an mehreren Ecken kleine Dorflifte hervor. Der Rosimlift, der Ortlerlift welcher mit VW Käfer-Motor angetrieben wurde, der Quellenlift, Zaylift und Cevedalelift.
An diesen Übungshängen konnten die Skihasen nun den Hügel hinabrauschen ohne zuerst stundenlang den Berg erklimmen zu müssen. Lustige Skirennen wurden abgehalten, Skikurse für Groß und Klein organisiert und so manche neue Technik ausprobiert.
Ab 17.00 Uhr machten sich braungebrannte Skilehrer mit ihren Skijüngern auf zum „Fünf Uhr Tee“ in den verschiedenen Hotelbars. Dort wurde in fröhlicher Runde zu Klavier und Volksmusik getanzt, gesungen und so mancher Glühwein genossen.
1959 erfolgte der Bau des Sesselliftes Langenstein hinauf zum Fuße des Ortlers. Zusammen mit dem Skilift Marlt und dem Skilift K2 bot er den Wintergästen eine Vielfalt an verschiedenen Pisten an. Der Bau des Sesselliftes „Kanzel“ auf der gegenüberliegenden Seite des Tales mit seiner traumhaften Aussicht auf das Ortler Dreigestirn folgte im Jahre 1965.
s42 20190212 115730Beide Sessellifte brachten die Gäste in kurzer Zeit auf über 2300 Meter und garantierten Schneesicherheit pur. Die Idee der Schneesicherheit für 12 Monate existierte schon länger in den Köpfen der Suldner Gastwirte. Man wollte daher eine Seilbahn hinauf zum Eisseegrat, zum Cevedale bauen.
1965 begann man mit dem Bau dieses Projektes, doch kam es durch wirtschaftliche Schwierigkeiten zur Einstellung der Bauarbeiten und nichts rührte sich mehr bis 1975. Mit der Übernahme durch die „neue deutsche Heimat“ konnte das Projekt des 1. Teilstückes zum Madritsch dann doch fertig gestellt werden.
1984 gab es einen neuen Besitzer der Seilbahnen Sulden. Walter Klaus aus Augsburg zeigte Interesse an diesem wunderschönen Fleckchen Erde, erwarb die Seilbahn und machte bis auf 3250 m Höhe ein wahres Prunkstück für Skifahrer und Wanderer daraus.
Heute ist in Sulden der Wintertourismus vorherrschend. Die Saison beginnt Ende Oktober, zieht sich bis Anfang Mai hin und bietet Skivergnügen für jedes Niveau auf vielen miteinander verflochtenen Pisten. Auch Tourengeher und Schneeschuhwanderer kommen auf ihre Kosten und können z.B. auf der Düsseldorfer Hütte ab März einkehren.
s42 original 86265a9c a036 4076 ba50 afb62803e579 IMG 20211205 164926Trotz des Aufstiegs zum bekannten Wintersportort ist Sulden immer noch dieses kleine gemütliche Tal geblieben wo sich jeder wohl fühlen darf. Wo man sich seit Jahrzehnten immer wieder auf denselben Pisten, in denselben Hotels, in denselben Apresski-Hütten trifft und wo der Gast sich wie Zuhause fühlt.
Ganz so wie damals, als die ersten Gäste im Heulager der Suldner geschlafen haben, ohne Heizung und Strom auskamen und als Freunde der Berge willkommen geheißen wurden.

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