Vinschgau - Fast unbemerkt - in der Corona-Krise, in den sich überschlagenden Nachrichten, abseits der Schlagzeilen, unabhängig von den Befindlichkeiten der Menschen in der Ausgangssperre - arbeitet ein Sektor der Gesellschaft auf Hochtouren: die Müllmänner, die den Müll wegräumen. Die Entsorgung ist genauso wichtig wie die Versorgung. Wie die Betriebe Tappeiner aus Schlanders und Windegger aus Glurns den Vinschgau vor einer Müllkrise schützen.
von Erwin Bernhart
6 Uhr in der Früh. Die meisten von uns schlafen noch. Der Müllwagen fährt vor, der Müllcontainer wird eingeklemmt, angehoben und mit lärmendem Rütteln entleert. Am Sammelpunkt stehen mehrere Container. Das Rütteln wiederholt sich, bis der letzte Müll des letzten Containers im Bauch des Müllwagens verschwunden ist. Es dauert nicht lange und der Müllwagen fährt davon. Es ist noch nicht mal Mittagszeit und schon ist ein Dorf vom wöchentlich anfallenden Restmüll befreit. Und weg ist der Müll. Aus den Augen jedenfalls.
Im Maschinenraum der Gesellschaft funktioniert das Getriebe - das Müllgetriebe. Auch in Zeiten der Corona-Krise. Auch oder gerade in Zeiten, in denen das gesellschaftliche Leben zum Stillstand gekommen ist. Die Müllentsorgung ist systemrelevant, genauso wie die Krankenversorgung, genauso wie die Versorgung mit Lebensmitteln. Während die Versorgung die Schlagzeilen beherrscht, fristet die Entsorgung ein kümmerliches Dasein. Ein Dasein im Verborgenen. Zu Unrecht. Denn das Letzte, was die Gesellschaft in Tagen wie diesen braucht, ist eine Müll-Krise.
Im Bezirk Vinschgau sind es zwei Betriebe, die neben anderen Sparten den Müll betreuen. Den Restmüll abholen, an den Sammelstellen abladen, wieder aufladen, einen Teil nach Bozen in die Verbrennungsanlage führen.
Tappeiner in Schlanders.
Martin Tappeiner, der Juniorchef des Familien-Traditionsbetriebes Konrad Tappeiner, stemmt mit seiner Mannschaft die Restmüll- und die Biomüllsammlung im Auftrag der Bezirksgemeinschaft Vinschgau. Rund 70 Prozent der Sammlungen macht Tappeiner mit eigenem Personal und eigenen Fahrzeugen. Für das Oberland hat Tappeiner einen Subauftrag an die Firma Windegger aus Glurns vergeben. Tappeiner betreut auch die 25 Gemeinden in der Bezirksgemeinschaft Burggrafenamt und den Recyclinghof in Brixen.
Mit täglich 5 Müllsammelfahrzeugen und mit bis zu neun Leuten sammelt die Firma Tappeiner den Restmüll in den Gemeinden von Schnals bis nach Reschen. In zwei oder drei Gemeinden pro Tag wird so der Restmüll abtransportiert und in die Deponie nach Glurns gebracht. Die Müllmänner starten in der Industriezone in Latsch und teilweise in der Industriezone in Vetzan. Die Motoren werden um halb sechs angeworfen und laufen den ganzen Vormittag. Nach einer kurzen Mittagspause wird, je nach Größe der Gemeinde, um 16 Uhr Schluss gemacht. In der Deponie in Glurns werden die gefüllten Müllsammelwägen gewogen, das Gewicht bzw. die Müllmenge den jeweiligen Gemeinden zugeordnet. Auf der Umladestation übernimmt den Restmüll der Sattelschlepper der Firma Windegger aus Glurns - in Richtung Müllverbrennungsanalge in Bozen.
„Es sind etwas mehr Wertstoffe im Restmüll“, sagt Martin Tappeiner auf die Frage, ob sich seit dem Dekret, dass die Leute zu Hause bleiben sollen, etwas verändert habe. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass die Recyclinghöfe geschlossen sind. Natürlich sind Einweghandschuhe und Mundschutz für die Mitarbeiter vorgeschrieben. Auch sei der Auftrag von Seiten der Gemeinden gekommen, dass jeglicher herumstehende Müll an den kleinen Müllkübeln mitgenommen werden solle.
Auch den Biomüll sammeln die Wägen von Tappeiner - und zwar in jenen Gemeinden, die diese Sammlung eingeführt haben - ganzjährig. Ein bis zwei Biomüllsammelwägen, mit entsprechender Wannenausstattung, um das Abfließen von Flüssigkeiten zu verhindern, sind auf Vinschgaus Straßen unterwegs. Im Müllsektor sind derzeit bis zu neun Leute beschäftigt. Tappeiner sammelt auch Kartonagen von Geschäften ein, die eine entsprechende Konvention haben. Weil die Containerauslieferungen für die Baustellen derzeit zwangsläufig ruhen müssen und weil die Recyclinghöfe geschlossen sind und deshalb der Abtransport von Wertstoffen ebenfalls ruht, können auch rund 15 Arbeiter der Firma Tappeiner nicht beschäftigt werden. Beurlaubungen sind derzeit angesagt. Was noch kommen wird, wird sich erst weisen müssen.
Noch zwei andere Betriebszweige bietet Tappeiner: die von Seniorchefin Hannelore Tappeiner geleiteten Gebäudereinigung und Textilreinigung. Beide Zweige sind enorm zurückgefahren worden. Hotels, Büros, Schulen, Kindergärten: Weil alles geschlossen hat, ist keine Reinigung vonnöten. Schließende Handwerks- und Industriebetreibe, die ebenfalls Kunden von Tappeiner sind, fallen aus. Banken und Gemeindegebäude sind geblieben. Dort, sagt Martin Tappeiner, werden mit mehr Desinfektionsmittel besonders sensibel Stellen - Türgriffe, Tastaturen und Toiletten - penibler gereinigt. Das betriebsinterne Angebot dazu traf sich mit dem Wunsch der Kunden.
Von einem Tag auf den anderen ist der Geschäftszweig der Textilreinigung zusammengebrochen. Weil die Betriebe im Gastgewerbe von einem Tag auf den anderen geschlossen worden sind, ist das Geschäft mit der Reinigung von Tisch- und Bettwäsche fast auf Null gestellt worden.
Windegger in Glurns.
Zu Hause bleiben - erlaubt sei nur noch eine Bewegung zum Einkaufen, zur Apotheke oder zur Arbeit. Als das Dekret des Ministerpräsidenten Conte vor rund drei Wochen bekannt wurde und zur Anwendnung gekommen ist, hat Armin Windegger seine LKW-Fahrer Wahlfreiheit eingeräumt: Zu Hause bleiben oder zur Arbeit kommen. Die meisten haben sich zur Arbeit gemeldet.
„Das Sammeln des Mülls bleibt garantiert“, sagt Windegger. Die einzige Einschränkung seines Betriebes ist der betriebseigene Recyclinghof in Glurns. Dieser ist geschlossen. Man habe schließen müssen, weil sich dort Menschen angesammelt hätten und dabei gegen das Dekret verstoßen worden wäre, sagt Windegger. Alle Gemeinde-Recyclinghöfe mussten aus diesem Grund schließen. Windegger hat seinen Recyclinghof noch zwei Tage nach dem Dekret offen gehalten. Es kamen Leute aus allen möglichen Dörfern - das ging dann doch nicht. Deshalb habe er den Recyclinghof geschlossen.
„Für den Dienst habe ich genügend Personal, sogar eine doppelte Mannschaft“, sagt Windegger. Eine Mannschaft in Reserve sozusagen. 15 Leute sind im Müllbereich tätig. Eigentlich habe sich nicht viel zu anderen Zeiten verändert. Die Mundschutzmasken sind neu hinzugekommen und man halte an mehreren Stellen Desinfektionsmittel bereit. Auch ist das Rundschreiben von der Südtiroler Landesverwaltung /Zivilschutz am 13. März hinzugekommen, in dem Regeln zur Müllentsorgung aufgezählt werden.
Durch den Subauftrag der Firma Tappeiner aus Schlanders sammeln die Müllwägen von Windegger von Laas bis Reschen die Wertstoffe aus den Recyclinghöfen.
Der Restmüll, der von den Müllsammelwägen von Tappeiner in die Deponie von Glurns gebracht wird, wird dort auf der neuen Umladestation umgeladen. Da kommt Windegger ins Spiel. Denn der Transport mit dem Sattelzug nach Bozen in die Verbrennungsanlage wird von der Firma Windegger ausgeführt. „Fünf bis sechs Mal in der Woche fährt ein Sattelzug mit dem Restmüll von Glurns nach Bozen“, sagt Armin Windegger.
Was derzeit still steht, ist der Wertstoffkreislauf. Weil die Recyclinghöfe geschlossen sind. Ansonsten liefert Windegger Glas, Karton, Papier und Bauschutt zu den entsprechenden Wiederaufbereitunsanlagen.
Aufrecht bleiben andere Dienstleistungen von Windegger. So holt ein LKW einmal in der Woche Kartonagen von Betrieben direkt ab, vor allem von Lebensmittelbetrieben. Die Geschäfte haben eine entsprechende Konvention mit Windegger abgeschlossen. Bei größeren Geschäften stehen Kartonpressen, damit das Volumen der täglich anfallenden Kartone reduziert werden kann.
Ähnlich wie Tappeiner ergeht es auch Windegger bei der Gebäudereinigung: Mehr Desinfektionsmittel werden in den Gebäuden der noch verbliebenen Kundschaft eingesetzt.