Experten zum Thema erläuterten die Chancen und Risiken des Einsatzes gentechnisch veränderter Organismen. „Wir wollen klare Regeln: Jeder Mensch soll selbst entscheiden können, was auf den eigenen Acker und Teller kommt.“, so die stellvertretende Ausschussvorsitzende Rohrer.
Gentechnik war das Thema der Anhörung, die heute im Rahmen der Sitzung des II. Gesetzgebungsausschusses des Landtags stattfand. Die Ausschussmitglieder und Experten wurden von der stellvertretenden Ausschussvorsitzenden Madeleine Rohrer, die die Sitzung leitete, begrüßt: "In Brüssel wird zurzeit eine neue Verordnung zu Methoden in der Neuen Gentechnik diskutiert. Die neuen Regeln werden weitreichende Folgen für die Konsumenten und die Landwirte in Südtirol haben. Geht es nach der EU-Kommission, soll zum Beispiel die Pflicht zur Kennzeichnung gentechnisch veränderter Pflanzen bzw. daraus hergestellter Lebensmittel entfallen. Unser Ziel ist es, Klarheit zu schaffen – auch, was die autonomen Handlungsspielräume für unser Land betrifft." Bei der Anhörung, die von der Grünen Fraktion im Ausschuss beantragt worden war, waren auch der Ausschussvorsitzende Josef Noggler und die Mitglieder Waltraud Deeg, Arnold Schuler (in Vertretung von Franz Locher), Harald Stauder, Thomas Widmann und Jürgen Wirth Anderlan anwesend. Andreas Colli war ebenfalls anwesend.
Den ethischen Aspekt des Einsatzes von GVO beleuchtete Martin Lintner, der Dekan der Philosophisch-Theologischen Hochschule Brixen, der unter anderem die verschiedenen Kriterien aufzeigte, die in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen sind, angefangen bei den Grundsätzen der Vorsorge und des Risikomanagements, der Verantwortung und der Transparenz. Kritisch hinterfragte er die Argumente, dass der Einsatz von GVO zur Gewährleistung der Ernährungssicherheit notwendig sei und zu einer Verringerung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln führe.
Die Sichtweise der Landwirtschaft veranschaulichte der Direktor des Versuchszentrums Laimburg Michael Oberhuber, der die Ansicht vertrat, dass wenn man den von Lintner erwähnten Kriterienkatalog auf NGT-1-Pflanzen anwendet, müsste man ihn auch auf klassisch gezüchtete Sorten anwenden. Der Leiter des Instituts für Agrikulturchemie und Lebensmittelqualität des Versuchszentrums Laimburg Thomas Letschka, gab einen Überblick über den technologischen Status quo und stellte einige Beispiele für widerstandsfähigere und landwirtschaftliche Produkte und die mit neuen Technologien erzielten Vorteile vor. Anschließend stellte er klar, dass natürliche und künstliche Mutationen manchmal nicht zu unterscheiden sind, wie im Fall der NGT1-Pflanzen, und erläuterte den Einsatz der neuen CRISPR/Cas 9-Technologie, die nach Ansicht der Wissenschaft zwar reguliert werden muss, aber auch das Potenzial hat, bei der Bekämpfung der durch den Klimawandel verursachten Schäden wirksam zu sein.
Silke Raffeiner, Ernährungswissenschaftlerin bei der Verbraucherzentrale Südtirol, wies darauf hin, dass die von den Verbrauchern gewünschte Wahlfreiheit, Information und Transparenz durch den derzeit auf EU-Ebene diskutierten Vorschlag ebenso wenig gewährleistet sei wie das Vorsorgeprinzip. Der Vorschlag der EU-Kommission für eine NGT-Verordnung zu neuen Techniken widerspreche diesem Prinzip und sei blind für potenzielle Risiken von NGT-Pflanzen, heißt es in einer Stellungnahme des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Statistische Erhebungen zeigen, dass die Öffentlichkeit über die Auswirkungen der neuen Technologien besorgt ist und eine spezifische Kennzeichnung wünscht.
Eva Gelinsky, Koordinatorin der Interessensgemeinschaft für gentechnikfreie Saatgutarbeit (IG Saatgut - D) und Mitglied der Eidgenössischen Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich EKAH (CH), sprach schließlich über die Risiken der neuen Technologien und den Stand der Diskussion auf EU-Ebene. Wenn ein Gen ausgeschaltet werde, könne dies Auswirkungen auf den ganzen Organismus haben, auch seien die Wechselwirkungen mit der Umwelt (z. B. Bestäuber) zu berücksichtigen; eine pauschale Gleichwertigkeit von konventionell gezüchteten Pflanzen und Pflanzen aus neuer Gentechnik sei nicht gegeben; zudem seien die langfristigen Auswirkungen bestimmter Veränderungen unbekannt, und die Entwicklung von Risikokontrollinstrumenten halte selten mit der Entwicklung neuer Technologien Schritt. Sollte die geplante Deregulierung auf EU-Ebene umgesetzt werden, könnten die meisten NGT-Pflanzen ohne Risikobewertung vermarktet werden; zu den umstrittenen Punkten der künftigen Rechtsvorschriften gehört die Frage der Patentierbarkeit. Anschließend stellte Gelinsky die GVO-Produkte vor, die derzeit angebaut werden.
Es folgten Fragen der Abgeordneten unter anderem zum Einsatz neuer Technologien zur Ernährung einer Weltbevölkerung von bald 10 Milliarden Menschen, zum Einsatz von Pestiziden im biologischen Landbau und zur Registrierung von Patenten (Arnold Schuler), zu Transparenz und Sicherheitsanforderungen, einschließlich der Rücknahme von Produkten, wenn sich Risiken abzeichnen (Waltraud Deeg), über die Auswirkungen der Kosten für Pestizide auf die lokalen Betriebe, die kritische Haltung der Biobauern und die allgemeine Position der Südtiroler Bauern (Jürgen Wirth Anderlan), über die Rückverfolgbarkeit von NGT1-Pflanzen, die Rolle der Ethik und pilzresistente Arten (Andreas Leiter Reber). Die Referenten antworteten mit unterschiedlichen Standpunkten.
"Wir fordern klare Regeln, sowohl für den Anbau als auch beim Konsumentenschutz: Jeder Mensch soll selbst entscheiden können, was auf den eigenen Acker und den eigenen Teller kommt.", schloss die stellvertretende Ausschussvorsitzende Rohrer die Sitzung.
Der II. Gesetzgebungsausschuss hat heute auch dem Antrag der Abgeordneten Rohrer zugestimmt, eine Anhörung zum von Alperia geplanten Pumpspeicherkraftwerk in der Gemeinde Ulten und zum Bürgerrat abzuhalten. Diese wird am 16. Mai 2025 stattfinden.
MCpc