Spezial-Nachhaltigkeit: Ohne Wasser - keine Bauern

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Gottfried Niedermair, Direktor,  und Paul Wellenzohn, Präsident des  Bonifizierungskonsortium Vinschgau Gottfried Niedermair, Direktor, und Paul Wellenzohn, Präsident des Bonifizierungskonsortium Vinschgau

Nachhaltigkeit am Beispiel des Bonifizierungskonsortiums Vinschgau

Wenn genügend Niederschläge kommen, ist es ruhig. Wenn’s trocken wird, stehen Wasserableitungen und Bonifizierung in der Kritik. In zwei, drei Jahren wird die Talsohle auf Tropfberegung umgestellt sein.

von Erwin Bernhart

Ohne Wasser geht nix im Vinschgau. Unsere Vorfahren haben Wasser in Waalen entlang der Bergflanken zu den Anbauflächen geleitet, haben der Etsch Wasser entnommen und ebenfalls in Waalen auf die Wiesen gebracht. Im niederschlagsarmen Vinschgau ist die Wasserproblematik s44 beregwahrscheinlich so alt wie das Sesshaftwerden der Menschen im Tal. Um die Wassernutzung hat es immer wieder Streitigkeiten gegeben, die aktenkundig sind. Die Wassernutzung hat auf der anderen Seite überlebenswichtige Kooperationen erzwungen und mit Road und Los ortsgebundene Kulturen ausgebildet.
Reste dieser Kulturen finden sich heute noch bis hinein in das Bonifizierungskonsortium Vinschgau. Weit hergeholt? Mitnichten. Bereits nachhaltig? Absolut.

Soziale Nachhaltigkeit
Die Verantwortlichen im Bonifizierungskonsortium sind, wenn man so will, Befehlsempfänger. „Unsere Stärken liegen in unserem Organigramm“, sagen der Präsident Paul Wellenzohn und der Direktor Gottfried Niedermair. Tatsächlich werden die Wasser-Wünsche vor Ort von den einzelnen Mitgliedern, also von den Bauern, artikuliert und in den gewählten 5 bis 7 köpfigen Gebietsausschüssen gebündelt und erst dann landen Überlegungen und Vorschläge beim Bonifizierungskonsortium. Dessen Aufgabe ist es dann, rechtliche, technische und finanzielle Fragestellungen rund um Wasserkonzessionen, Landeszuständigkeiten, Ämterdiskussionen, Leitungsbau, Beregnungs- und Filtertechniken zu bearbeiten und an die Basis zurückzumelden. Dieser heute technisch ausgefeilte Austausch beruht letztlich auf ganz ursprüngliche Interessentschaften, Agrargemeinschaften und Gruppierungen, die sich ihrerseits von den losen Kooperationen der Urahnen ableiten lassen. Das ist ein vinschgau-typisches Phänomen, welches landesweit keinen Vergleich hat. Aus diesen gewachsenen Strukturen, heute ein einem „Organigramm“ zusammengefasst, lassen sich die erfolgreichen Ergebnisse erklären, die in modernen Bergnungsanlagen ihren Niederschalg gefunden haben. Die Anlagen selbst werden von den Bauern vor Ort bzw. von einem von ihnen betrauten Beregnungswart betreut. Dieses austarierte System kann man mit dem heute modernen Begriff der „sozialen Nachhaltigkeit“ ummanteln.
In einer jährlichen Versammlung für das gesamte Einzugsgebiet werden den Mitgliedern aktuellste Informationen und Entwicklungen weitergegeben, Kritik und Anregungen entgegengenommen. „Dies födert auch den Austausch der Mitglieder und der Gebietsusschüsse untereinander“, sagt BonifizierungsPräsident Paul Wellenzohn.

Wasser sparen
s44 tab„Die ökologische Nachhaltigkeit wird in der Gesellschaft vermehrt gefühlt. Es ist die Zeit, in der sich unterschiedliche Bevölkeungsgruppen zu jedem Bach zu Wort melden“, sagt Wellenzohn. „Wenn ausreichend Niederschläge vorhanden sind“, ergänzt Gottfried Niedermair, „ist es ruhiger. Aber der Druck aus der Gesellschaft und auch von Seiten der Mitglieder steigt.“ Außenstehende sehen die Oberkronenberegnung und beklagen Wasserverschwendung. Mitglieder, also die Bauern, klagen natürlich an, wenn nicht mehr gewährleistet ist, dass das Wasser gleichmäßig verteilt wird.
Wenn heuer die Beregnungsanlage in der Ebnet von Schluderns in Betrieb gegangen sein wird, sind sämtliche Beregnungsflächen im Einzugsgebiet des Bonifizierungskonsortiums vorerst bedient: die Talsohle, Sonnen- und Nördersberg, von Matsch bis Stilfs bis Martell.
Aktueller wird die Umstellung von Oberkronen- auf Tropfberegnung. 2.100 Hektar sind bereits umgestellt, 400 Hektar sind in der Umstellungsfase. „In zwei bis drei Jahren wird in der Talsohle alles auf Tropfberegnung umgestellt sein“, sagen Wellenzohn und Niedermair. Natürlich erfordert diese Umstellung große Investitionen. Denn vor allem die Filtrationstechnik ist teuer
Was bedeutet diese Umstellung für die Einsparung von Wasser? Konzessionsrechtlich bleibt alles wie bisher. Bei den einzlenen Wasserkonzessionen sind für die Beregnung 0,5 Liter pro Sekunde pro Hektar vorgesehen. Durch die Tropfberegnung wird eine Wasserersparnis von 30 bis 35 % errechnet. Dafür ist die Gewährleistung größer, dass das Wasser auf die gesamte Einzugsfläche der jeweiligen Konzession gerechter verteilt werden kann. Die Verdunstung ist zudem gegenüber der Oberkronenberegnung weit geringer und Wind und Wetter können den Tropfern nichts anhaben. Die Bauern können während des Bewässerungsturnusses die Anlagen jederzeit betreten. Und für das Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln, von vorbeugenden Fungiziden, kann sich der Bauer nur noch auf die Wettervorhersagen stützen und den Beregnungsturnus ignorieren. Es ist oft vorgekommen, dass die Oberkronenberegnung das Fungizid frühzeitig abgewaschen hat und somit ein zweites Anbringen notwendig war.
Mit der Tropfberegnung wird durch die Filtration gutes Wasser gezielt zum Wurzelbereich gebracht. Der Bienenflug wird nicht mehr gestört, dem Feuerbrand eher vorgebeugt.
Die Vorteile der Tropfberegnung sind also vielfältiger Natur im ökologischen, im ökonomischen und im arbeitstechnischen Bereich. Bei nachbarschaftlichen Mischkulturen, etwa im Bereich der Malser Haide, wo Grünlandwirtschaft und intensive Obstkulturen nachbarschaftlich angelegt sind, wird es durch die Tropfberegnung vermieden, dass ungewollt Wasser auf Heu oder Grummet gelangen.
Die Wasserverluste über Leitungslecks spilen, so Wellenzohn und Niedermair, kaum eine Rolle. Die Leitungen sind gut beinander. Um eine optimalere Nutzung der konzessionierten Wassermengen gewährleisten zu können, sind kleine Speicherbecken als Puffer- oder Ausgleichsbecken bei den Fassungen notwendig. Sind solche Becken errichtet können durch Automatisierungsprogramme Bewässerungsturnusse exakt zugeteilt werden.

Zusammenarbeit
Von elementarer Bedetung für eine bedarfsgerechte Wassernutzung ist die Zusammenarbeit vor allem mit der Energiegesellschaft Alperia. „Bi der Zusammenareit gibt es nichts auszusetzen“, sagt Präsident Wellenzohn. Die Vereinbarungen sehen vor, dass die Landwirtschaft vor allem bei Frostberegnung bestimmte Wassermengen aus dem Stollen zwischen Laas und Kastelbell entnehmen kann. Das für die Malser Haide konzessionierte Wasser wird am haidersee entnommen. Vereinbarungen gibt es auch für Trockenperioden. Die 60 Sekundenliter, die im Laaser Tal aus dem dortigen Alperiastollen für die Beregnungsanlagen in Laas und in Allitz entnommen werden können, ist auf Konzessionswege von der Alperia auf das Bonifizierungskonsortium übertragen worden. „Im Vinschgau gibt es kein freies Wasser mehr. Jeder Bach ist konzessioniert“, stellt Niedermair fest.

Künftige Stromnutzung?
Bisher ist es gelungen, auf drei Beregnungsleitungen E-Werke zu errichten. Das Potenzial für diese hydroelektrische Nutzung wäre noch auf mehreren Anlagen, überall dort, wo mindstens 25 Sekundenliter in der Vegetationszeit abgeleitet werden können. Durch die physikalisch notwendigen Druckunterbrecher wird derzeit Energie regelrecht vernichtet. Ein Unding, sagt man im Bonifizierngskonsortium. Gespräche und Ansuchen für hydroelektrische Nutzungen versanden derzeit n den Landesämtern. Und dies obwohl im Landesgesetz 5 von 2009 ausdrücklich im Kapitel 7 in den Aufgaben von Bonifizierungskonsortien vorgesehen ist, dass „Planung, Verwirklichung und Betrieb von Anlagen zur Erzeugung von Energie in Konsortialkanälen und –leitungen sowie Belieferung von Produktionsunternehmen und zivilen Tätigkeiten mit Fließwasser für Verwendungen, die die Rückgabe des Wassers vorssehen und mit den darauf folgenden Nutzungen vereinbar sind“.
Der Wunsch für hydroelektrische Nutzungen, sofern von den jeweiligen Mitgliedern gewünscht, ist jedenfalls vorhanden. Mit dem Ziel, Betreibskosten senken, Investitionen besser planen und querfinanzieren zu können. Im Sinne einer lokalen Nachhaltigkeit.

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