Vom Südtiroler Landtag wurde die Wohnreform 2025 am 6. Juni genehmigt. Das Reformpaket, das von Wohnbau-Landesrätin Ulli Mair, dem Landesrat für Raumentwicklung, Peter Brunner, sowie dem Landesrat für Landwirtschaft, Luis Walcher, ausgearbeitet wurde, stellt eine umfassende Neuregelung sämtlicher Bereiche des Wohnens dar. Wir haben mit Georg Lechner, langjähriger Gemeindesekretär von Prad und Laas und seit 2023 Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Recht auf Wohnen“ im KVW-Bezirk Vinschgau, gesprochen.
Vinschgerwind: Ist das Recht auf Wohnen ein Grundrecht, so wie das Recht auf Bildung und Gesundheit?
Georg Lechner: „Jeder Mensch hat ein Anrecht auf angemessenen Wohnraum“ steht im Art. 25 der Menschenrechtserklärung zu lesen. Das Recht auf Wohnen ist in der italienischen Verfassung nicht ausdrücklich als persönliches Recht verankert, wird aber als Teil der sozialen Rechte anerkannt, etwa im Zusammenhang mit Menschenwürde und Gesundheit. (Art 2 und 32 der Verfassung). Das Recht auf Wohnen ist somit in Italien ein grundlegend anerkanntes soziales Recht, das sich vom verfassungsmäßig gesicherten Sozialstaatsprinzip ableitet und welches auf verschiedenen Ebenen gesetzlich geregelt ist. Neben diesen verfassungsrechtlichen Grundlagen sind die nationalen Gesetze zum sozialen Wohnungsbau, die nationalen mietrechtlichen Regelungen und, bezogen auf Südtirol, die geltende Gesetzgebung des Landes zur Wohnbauförderung, konkret das Landesgesetz vom 17.12.1998, Nr. 13 mit den betreffenden Durchführungsbestimmungen, zu nennen.
Vinschgerwind: Die Mietpreise und die Baukosten sind in den letzten Jahrzehnten gewaltig gestiegen. Was sind die Gründe?
Georg Lechner: „Was ist denn in den letzten Jahrzehnten schon günstiger geworden? Die Gründe für die sehr hohen Miet- und Baukosten sind vielschichtig, möglichst alle zu nennen wäre Auftrag für eine wissenschaftliche Studie. In Südtirol sind die wesentlichen Gründe das knappe Bauland, die intensive Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen, welche den Baugrundpreis mit beeinflussen, der übertrieben hohe Baustandard, einerseits mit gesetzlichen Vorgaben verordnet, deren Sinnhaftigkeit zu hinterfragen wäre, andererseits auch die Wunschvorstellungen und Anforderungen sehr vieler Bauherrn an ihr Traumhaus. Aber auch Baustoffe sind knapp und deren Preise werden direkt und indirekt von der nationalen und internationalen Wirtschaftslage gesteuert. Oft sind es aber die unvollständigen Baupläne, die in der Bauphase dann beachtliche Mehrkosten verursachen. Vor allem private Bauträger sparen bei der Planung zu viel und treten zu voreilig in die Bauphase. Das, was eine gut durchdachte Planung mehr kostet, wird in der Bauphase mehrfach eingespart. Dann ist auch das (zu) viele Geld, in Händen von (zu) Wenigen mit Grund für die überhitzte Situation am Immobilienmarkt. Angebot und Nachfrage vor allem auf dem Miet-, aber auch auf dem Wohnungsmarkt sind in den letzten Jahrzehnten immer stärker in Schieflage geraten. Mit verantwortlich ist sicherlich auch die Wohnbaupolitik der letzten Jahre, denn sie hat es verabsäumt rechtzeitig überlegt fruchtende Maßnahmen für eine Marktkorrektur zu setzen. Nehmen wir beispielsweise die Mietbeiträge des Landes her. Wo sind denn diese Gelder letztendlich angekommen? Wohl kaum beim Mieter! Hätte das Land mit den zig Millionen an ausgegebenen Mietbeiträgen eigenständig Wohnraum geschaffen und zu einem vernünftigen Mietpreis auf den Markt gesetzt, so wäre in Richtung bezahlbare Miete Konkretes erfolgt.
Der Wohnungsmarkt in Südtirol wird seit Jahren vorrangig von Immobilienunternehmen bedient, die verständlicherweise rein marktorientiert operieren, was Letzteren nicht zu verübeln ist. Es wäre also schon lange Aufgabe der öffentlichen Hand gewesen, marktkorrigierend einzugreifen. Die öffentliche Hand hat grundsätzlich kein Recht, auf dem Wirtschaftsmarkt als Unternehmerin aufzutreten, sie hat aber die Pflicht, dort wo Grundrechte ihrer Bürger am Markt monopolistisch bedient werden, korrigierend einzuschreiten und für die Befriedigung der Grundrechte ihrer Bürger durch gezielte Maßnahmen zu sorgen.
Vinschgerwind: Müssen wir umdenken, vom Haus- oder Wohnungseigentum zur Mietwohnung?
Georg Lechner: Nicht vollends, aber ja, für unsere jungen Leute auf alle Fälle. Die Gesellschaft hat sich stark geändert. Der Grundsatz, den wir noch von unseren Eltern für unsere Zukunftsplanung mitgekommen haben: „Sorge für ein eigenes Dach über deinem Kopf und du bist versorgt“, hat für junge Menschen einen untergeordneten Stellenwert. Wohnungseigentum sehen sie eher als Hemmschuh in ihrer Lebensplanung. Einmal schrecken die sehr hohen Baukosten ab, zudem bindet und verpflichtet Eigentum aus ihrer Sicht. Junge Menschen stehen heute in der Regel länger in Ausbildung, sie wollen und müssen flexibel sein, brauchen Berufs- und Lebensorientierung. Dies verlangt auch der Arbeitsmarkt heute von jungen Mitarbeiter:innen.
Vinschgerwind: Wurden in der beschlossenen Wohnreform 2025 die Vorschläge und Anregungen der Arbeitsgruppe „Recht auf Wohnen“ im KVW Bezirk Vinschgau berücksichtigt?
Georg Lechner: Die Arbeitsgruppe „Recht auf Wohnen“ wurde mit dem Ziel eingesetzt, das Anliegen „leistbares Wohnen“ zu thematisieren, die Situation auf dem Wohnungsmarkt im Vinschgau zu untersuchen, Vorschläge für eine Verbesserung zu erarbeiten, pressemäßig kund zu tun und bei den zuständigen Verantwortungsträgern auf politischer und Verwaltungsebene vorzubringen. Die Arbeitsgruppe hat sich wiederholt mit dem Themenbereich beschäftigt, ist in Kontakt und Austausch mit der Arche im KVW getreten, hat an Fachvorträgen an der UNI Bozen teilgenommen, sowie an einer Exkursion nach Vorarlberg, um das dort gut laufende Konzept zum „leistbaren Wohnen in Holzmodulbauweise“ kennen zu lernen. Die Erkenntnisse und Sichtweisen der Arbeitsgruppe wurden über verschiedene Printmedien publik gemacht.
Im Sommer 2024 traf sich die Arbeitsgruppe auch mit der Frau Landesrätin Ulli Mair. In der sehr sachlichen Aussprache wurden die Erkenntnisse und Vorschläge der Arbeitsgruppe u.a. zu den Themenbereichen: Schaffung von preiswertem Mietwohnraum und Neuausrichtung der Wohnbauförderung, ausführlich erörtert. Die Landesrätin hat unser Positionspapier mit Interesse angenommen und wir können sagen, dass die im Landtag genehmigte „Wohnreform 2025“ in allen Kernpunkten den Vorschlägen der Arbeitsgruppe „Recht auf Wohnen“ im KVW – Bezirk Vinschgau Rechnung trägt.
Vinschgerwind: Es war in den letzten Tagen in der Presse mehrfach zu lesen, mit der Wohnreform 2025 wird die Sicherung des Wohnraumes für Ansässige bezweckt. Wie sieht dies der Vorsitzende der Arbeitsgruppe?
Georg Lechner: Der Südtiroler Landtag hat mit der Wohnreform 2025 ein bedeutendes Gesetz verabschiedet. Die geltende Wohnbauförderung wird, soweit sie sich in Vergangenheit bewährt hat, mit Verbesserungen und Ergänzungen fortgeschrieben, aber es werden mehr oder weniger in allen Bereichen des Wohnens neue und überfällige Akzente gesetzt, um Wohnraum für unsere Bürger:innen zu schaffen und zu sichern. Zu nennen sind die 100-prozentige Reservierung neuer Wohnkubatur für Ansässige auf neu ausgewiesenem Bauland, das neu aufgesetzte Bausparmodell und die Einführung des zinsbegünstigten Darlehens in Kombination mit dem Verlustbeitrag, wie bisher. Das Modell „Gemeinnütziger Wohnbau“ in dieser Form ist in Südtirol neu. Der Art. 74 regelt die Förderung für die Wiedergewinnung von Gebäuden durch öffentliche Körperschaften, zivilrechtlich anerkannte kirchliche Körperschaften, Stiftungen und Organisationen ohne Gewinnabsicht, die sich verpflichten, Mietwohnungen zu errichten, und zu einem im Voraus vereinbarten Mietzins, der den Landesmietzins von ca. € 7,50/m² jedenfalls nicht überschreiten darf, für mindestens 30 Jahre an Einheimische zu vermieten. In Art. 74 ter werden im Wesentlichen dieselben Regelungen und Verpflichtungen bei Neubau von Gebäuden für Wohnzwecke durch vorgenannte Bauträger definiert. Schließlich muss noch auf den neuen Art. 74 – quater mit der Überschrift „Kommunaler geförderter Wohnbau – Finanzierung des Neubaus und der Wiedergewinnung von Gebäuden“ verwiesen werden. Die Gemeinden können Wohnraum für Einheimische eigenständig schaffen. Sie verpflichten sich diesen zu einem mit dem Land vereinbarten günstigen Mietzins an berechtigte Personen für 30 Jahre zu vermieten und erhalten dafür vom Land die Finanzierung von bis zu 50% der anerkannten Baukosten. Unter Beachtung bestimmter Auflagen können die Gemeinden diese Wohnungen auch an Personen mit den Voraussetzungen für den geförderten Wohnbau als Eigentumswohnung abtreten. Damit hat das Land den Gemeinden alle Werkzeuge in die Hand gelegt, aktiv und konkret ihren Bürgern „bezahlbaren Wohnraum“ bereit zu stellen.
Interview: Heinrich Zoderer
Grafiken und nähere Informationen: Wohnreform 2025 Wohnraum für Südtirol
https://wohnen.provinz.bz.it/de/home
https://arche.kvw.org/de/kvw-arche-75.html