Natur und Umwelt/Kultur
Transhumanz: Land Südtirol unterstützt kulturelle Tradition

SCHNALS (LPA). Wenn im September die Schafe aus dem Ötztal ins Schnalstalzurückkehren, steht die Transhumanz wieder im Mittelpunkt – die jahrhundertealte Praxis der länderübergreifenden Wanderweidewirtschaft. Verbreitet ist diese kulturelle Tradition im Alpen-, aber auch im Mittelmeerraum. Seit 2019 ist sie als immaterielles Kulturerbe der UNESCO anerkannt.
„Der lange Marsch der Schafe und Hirten zu den Sommerweiden bei Vent im Ötztal und wieder zurück in den Vinschgau ist ein einzigartiges Ereignis“, unterstreicht der Landesrat für Umwelt-, Natur- und Klimaschutz Peter Brunner. „Es ist wichtig, auf den kulturellen Wert der Transhumanz aufmerksam zu machen.“
Das Land Südtirol hat die Koordination aller UNESCO-Anerkennungen in Südtirol in enger Zusammenarbeit mit den lokalen Akteuren inne. „Erstmals konnte das Land in diesem Sommer die Bauern im Hinblick auf die Transhumanz konkret unterstützen, und zwar wurde Salz für die Schafe angekauft“, erklärt Marcella Morandini, UNESCO-Sonderbeauftragte des Landes Südtirol.
Der Kulturverein Schnals und der Verein Pro Vita Apina im Ötztal haben bereits 2011 mit der Eintragung in die österreichische Liste den Weg zur UNESCO-Anerkennung eingeschlagen. „Unser gemeinsames Anliegen ist es, die jahrhundertealte Tradition zu bewahren und die Hirten auch auf diesem Wege zu unterstützen“, erklärt Benjamin Santer, der die Kandidatur begleitet hat und damals Vorsitzender des Kulturvereins war.
Der Weg der Schafe und der Hirten
Eine ganz besondere Rolle in der Transhumanz kommt den Hirten und Treibern und ihren Hunden zu. Ihre Arbeit bildet die Grundlage für das UNESCO-Kulturerbe. Hermann Götsch, Obmann der Agrargemeinschaft Niedertal, die seit 1457 ausgedehnte Almen im Ötztal besitzt und bewirtschaftet, hat diese Aufgabe von seinem Vater übernommen. Von ihm hat er auch das nötige Wissen für die Übersteigung des Ötztaler Hauptkamms. „Die Transhumanz kann nur fortbestehen, wenn viele Menschen das Wissen weitertragen und am Fortbestand dieser Tradition beteiligt sind“, betont Götsch.
Sein Sohn Manuel, der die Schafe bereits mit sechs Jahren zum ersten Mal ins Ötztal gebracht hat, verbringt die Sommermonate in der Schäferhütte auf der Niedertalalm im Ötztal. „Auch wenn die Gletscher zurückgegangen sind - für die Weidehaltung und den Schaftrieb ergeben sich heute viele neue Herausforderungen durch den Struktur- und den Klimawandel“, berichtet er.
Auch in diesem Jahr sind die Schafe wieder gut am Vernagter Stausee angekommen. 2026, beim nächsten Schaftrieb ins Ötztal, werden sie erneut im Rampenlicht stehen. Insbesondere auch deshalb, weil die Generalversammlung der Vereinten Nationen das Jahr 2026 zum Internationalen Jahr der Weideflächen und Viehzüchter erklärt hat.
Zusatzinformationen
Jahrhundertealte Tradition
Das Recht, ihr Vieh im Sommer über das Hochjoch und Niederjoch auf die Weiden des Ötztals zu treiben, haben die Schnalser Bauern seit dem 14. Jahrhundert inne. Per Vertrag wurde das Weiderecht zwischen den Bauern des Schnalstals und des Ötztals festgelegt. Alljährlich im Juni erfolgt der Schaftrieb ins Ötztal, Mitte September kehren tausende Tiere wieder in den Vinschgau zurück. Rund 1.500 Schafe nehmen von Kurzras den Weg über das Hochjoch (Schutzhütte Schöne Aussicht, 2.842 Meter Seehöhe) zur Rofenberg-Alm. Rund 1.500 Schafe werden von Vernagt am gleichnamigen Stausee über das Niederjoch (Similaunhütte, 3.019 Meter Seehöhe) ins Niedertal getrieben.
„Dieses historische Weiderecht gilt bis heute und ist ein lebendiges Beispiel für grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Alpenraum“, unterstreicht Landesrat Peter Brunner. Über viele Generationen hinweg haben sich durch die Transhumanz verwandtschaftliche, soziale und kulturelle Beziehungen zwischen den Menschen dies- und jenseits des Alpenhauptkammes entwickelt. Alte Bräuche, wie etwa das Festlegen der Weideplätze und der Anzahl der Schafe, die Bezahlung oder der gemeinsame Kirchgang vor dem Übertrieb, werden bis heute ausgeübt.
mpi