Christian Angerer und Nico Riedl im Gespräch.
Interview: Angelika Ploner
Den Vinschgerwind und Christian Angerer, passionierter Griller und Begründer der Grill- und BBQ-Szene Vinschgau aus Laas, verbindet seit Jahren eine lieb gewordene und gern gepflegte Zusammenarbeit. Heuer hat Angerer den Fleischsommelier Nico Riedl aus Tschengls dazugeholt.
Vinschgerwind: Herr Riedl, wie wird man Fleischsommelier?
Nico Riedl: Vor drei Jahren habe ich die WFO in Schlanders abgeschlossen und habe mich danach für die Metzgerlehre entschieden. Wir haben selbst zu Hause ein paar Schafe, wodurch ich immer schon mit Tieren zu tun hatte. Nach dem Gesellenabschluss habe ich bei der Metzgerei Holzner in Lana angefangen, wo ich die Möglichkeit bekommen habe, die Ausbildung zum Fleischsommelier zu machen. Jetzt habe ich in der Metzgerei die mobile Schlachtung sowie die Geschäftsführung übernommen.
Vinschgerwind: Was heißt mobile Schlachtung?
Nico Riedl: Wir fahren mit der mobilen Schlachtbox zu den Höfen. Die Rinder gehen selbständig auf den Anhänger, wo sie stressfrei geschlachtet werden. Letztes Jahr wurden auf diese Weise circa 50 Rinder geschlachtet. Nach der Schlachtung wird das Rind grob zerlegt, dann beginnt die Trocken- und Nassreifung, damit das Fleisch zarter und geschmackvoll wird, worauf die Feinzerlegung folgt.
Vinschgerwind: Zurück zum Fleischsommelier. Was ist und tut ein Fleischsommelier?
Nico Riedl: Sommelier gibt es mittlerweile in vielen Bereichen. Weinsommelier, Apfelsommelier. Fleischsommelier ist der Genussbotschafter, der sich auf das Thema Fleisch spezialisiert hat und sich dort einfach auskennt. Das fängt an mit der Fleischgewinnung. Das heißt bei der Schlachtung fängt es an bis hin zur Feinzerlegung, der Zubereitung.... da gehört alles dazu.
Vinschgerwind: Und wie wird man Fleischsommelier?
Nico Riedl: Für meine Ausbildung war ich zwei Wochen in Augsburg. Dort haben uns Experten zu jeglichen Aspekten ihr Fachwissen weitergegeben: von Anatomie, Schlachtung, Reifung, Gewürzen bis hin zur Zubereitung. Ein großer Teil betraf die verschiedenen Rinderrassen. Wir haben uns anhand von Genetik und Futter angesehen, welche Rasse am besten für was eignet.
Vinschgerwind: Womit wir bei der nächsten Frage wären: Wie erkenne ich hochwertiges Fleisch?
Nico Riedl: Man sollte den Unterschied kennen zwischen weichem, wässrigem Fleisch und einem schön festen und gut marmorierten Stück. Farbe, Geruch und Struktur geben oft schon viel preis. Hochwertiges Fleisch bedeutet für mich aber auch, dass die ethischen und moralischen Aspekte stimmen – und dass das Tier gutes Futter bekommen hat und stressfrei gehalten wurde. Viel Bewegung ist schlecht für die Fleischqualität, da wird das Fleisch zäh. Da muss man dann einen guten Mittelweg zwischen Auslauf und guter Fütterung finden. Also hochwertiges Fleisch erkennt man am Aussehen, an der Konsistenz und am Geruch.
Vinschgerwind: Umgekehrt: Wie sollte Fleisch nicht riechen?
Christian Angerer: Unangenehm.
Vinschgerwind: Welche Fleischstücke empfehlen Sie und wofür?Christian Angerer: Wenn man Küche und Grillen verbinden will, damit man große Stücke kaufen und sich dabei auch Geld sparen kann, dann eignet sich zum Beispiel ein Tafelspitz. Diesen kann man für ein Gulasch hernehmen, aber auch auf dem Grill zubereiten. Dafür schneidet man 5 mm dicke Scheiben, gegen die Faser, bratet diese auf beiden Seiten kurz scharf an. Dabei werden die Fasern durchbrochen und das Fleisch hat einen leichten Biss. Will man es etwas dicker haben, dann kann man den Tafelspitz im Smoker auf Niedrigtemperatur 80 Grad auf 57 Grad Kerntemperatur garen, somit wird es weich und zart.
Nico Riedl: Ich würde eher auf die modernen Teilstücke setzen, wenn wir uns über’s Grillen unterhalten. Man verwendet da meistens die englischen Begriffe, weil sie auf deutsch nicht so gut klingen. Das Zwerchfell ist von mir aus gesehen eines der besten Stücke für den Grill, weil es marmoriert, feinstrukturiert und einfach zuzubereiten ist. Der Rindfleischgeschmack bei diesem sogenannten Skirt-Steak ist sehr intensiv. Von solchen modernen Teilstücken gibt es beim Rind natürlich noch mehr. Ein Hanging Tender zum Beispiel, das heißt auf deutsch Nierenzapfen. Dieser befindet sich nur einmal in der Mitte vom Rind. Auf dem Grill zubereitet ist das Hanging Tender echt saftig und schmeckt super. Das ist derzeit auch bei uns der Renner.
Christian Angerer: Das Flank Steak ist das nächste dieser modernen Zuschnitte. Dieser wurde früher meistens als Gulasch verwendet oder ins Wurstfleisch gegeben.
Nico Riedl: ...und jetzt ist es eines der besten Steaks.
Christian Angerer: Diese modernen Teilstücke folgen genau der Philosophie „From nose to tail“ – also von der Nase zum Schwanz.
Nico Riedl: Interessant ist auch noch das Spider-Steak. Das ist einfach auf deutsch das Kachelfleisch, das an ein Spinnennetz erinnert. Den “Deckel” von der Nuss kann man zum Beispiel auch nehmen. 30 Prozent von der ganzen Nuss gilt als “Deckel” - die Nuss besteht aus drei Teilen. Normalerweise nimmt man dieses Teil lediglich für Wurst oder Gulasch. Wird es sauber entfließt, so bekommt man ein tolles Steak. Diese Teile kann man eigentlich alle gleich zubereiten. Insgesamt gilt: Je weniger Bewegung das Fleisch hat, desto zarter ist es.
Vinschgerwind: Diese modernen Zuschnitte verfolgen - wie bereits erwähnt - das Konzept „From nose to tail“.
Nico Riedl: Ja, diese Teile haben an Wert zugenommen und dieses Konzept beinhaltet eben die Verwertung der modernen Zuschnitte.
Vinschgerwind: Ist teuer gleich gut und günstig gleich nicht gut?
Nico Riedl: Aus günstigen Teile kann man hochwertige Gerichte herausholen.
Christian Angerer: Jedes Teil ist ein Edelteil, wenn man es richtig zubereitet.
Nico Riedl: Die Zubereitungsart ist das Wichtigste.
Vinschgerwind: Die besten Stücke zum Beispiel vom Rind sind...
Nico Riedl: Es gibt wie gesagt kein bestes Stück...
Christian Angerer: ...und es gibt kein schlechtes Stück. Die Zubereitungsart macht es einfach aus.
Vinschgerwind: Dann sagen wir es anders: Welches Stück vom Rind ist euer Lieblingsteil?Nico Riedl: Das ist schwierig. Wenn ich bei Steaks bleibe, dann würde ich sagen das Hanging tender zu deutsch Nierenzapfen. Wenn ich ein Schmorfleisch mache, dann ein Schulternahtl.
Christian Angerer: Ich würde sagen, alles außer ein T-Bone.
Nico Riedl: Natürlich sind Roastbeef und Spitzrose alles super Teile, aber zusammen mit den modernen Zuschnitten hat man einfach viel mehr an Abwechslung.
Christian Angerer: Wir sprechen ja meistens bei diesen Teilen von jungen Rindern, aber vom alten Rind zum Beispiel bekommt man ein geschmackintensives Faschiertes für einen leckeren Burger. Auch für eine Gulasch zum Beispiel ist Fleisch von alten Tieren für meinen Geschmack besser.
Vinschgerwind: Wie bleibt Fleisch zart und saftig?
Nico Riedl: Da sind wir wieder beim Thema Zubereitung.
Christian Angerer: Wenn du das richtige Teil richtig zubereitest, dann bleibt jedes Fleisch und jedes Teilstück zart und saftig.
Vinschgerwind: Was grillt ihr selber am liebsten?
Nico Riedl: Die Abwechslung macht’s. Ich grille drei, vier verschiedene Teile, wenn ich grille. Also ich nehme drei, vier verschiedene Teile von einem Tier und nicht ein Teil von zwei, drei Rindern.
Vinschgerwind: Zum Beispiel?
Nico Riedl: Das Skirt Steak, dann das Spider-Steak, dann einen Hanging Tender und eventuell ein Nusssteak. Das wäre jetzt nur Rindfleisch, dasselbe gibt es auch vom Schwein.
Vinschgerwind: Bleibt ihr beim Rind als Fleischsorte?
Nico Riedl: Ja, schon eher. Auch Lamm, weil wir das selber haben, oft auch Wild.
Christian Angerer: Ich bevorzuge es gemischt zum Beispiel: Zuerst Fisch oder Geflügel, dann Kaninchen, Schwein, Rind und Wild. Das ist eigentlich bei mir Grillen. Und die Hauptsache ist, es macht Spaß zuzubereiten und Neues auszuprobieren.
Vinschgerwind: Stichwort Zerlegung? Im Großen einkaufen, sparen und selber die Teile schneiden. Was kann man jenen raten, die sich nicht auskennen?
Nico Riedl: Zur Fleischgewinnung gehört die Zerlegung dazu, das heißt Knochen herauslösen und dann in die Einzelteile zerlegen.
Vinschgerwind: Was macht der Metzger und was kann ich als KonsumentIn machen?
Christian Angerer: In meinen Augen ist der Beruf des Metzgers ein Kunsthandwerk und das sollte er unter Beweis stellen. Als Konsument kann ich mir auch ein Schnitzel oder Gulaschwürfel selber aus großen Stücken schneiden und somit wenn ich engros einkaufe auch Geld sparen.
Vinschgerwind: Verwendet ihr Gewürze und Marinaden?
Nico Riedl: Also ich arbeite mit Salz und Pfeffer, Thymian, Knoblauch und Rosmarin. Mehr braucht es nicht.
Christian Angerer: Das ist auch meine Richtung.
Vinschgerwind: Lieblings-Grillgericht?
Christian Angerer: Eine gute Bratwurst mit 75 Grad Kerntemperatur oder Beef Ribs, Beef Hammer oder ein Spanferkel.
Nico Riedl: Lammkotelett vom eigenen Lamm oder ein Skirt-Steak.
Info: Unter moderne Zuschnitte versteht man spezielle Schnitte, welche von den heute üblichen Schnitten abweichen. Moderne Zuschnitte sind oftmals eine günstigere und nachhaltige Alternative zu Edelstücken. Was heute Special Cut genannt wird, hieß früher einfach «Metzgerstück». Das waren schmackhafte Fleischstücke, von denen man scherzhaft sagte, dass sie der Metzger am liebsten für sich selber zur Seite lege. Bis in die 70er-Jahre fand man diese Kurzbratstücke ganz selbstverständlich in den Metzgereien. Heute dienen sie mehrheitlich als Wurstfleisch oder Ragout. Was ist geschehen? Im Zuge des Wirtschaftsbooms der 80er-Jahre konnten man es sich leisten vermehrt Edelstücke zu essen. Die Fleischvorlieben änderten sich. Alternative Stücke und auch das Wissen um ihre Herstellung gerieten etwas in Vergessenheit. Dank dem «Nose to Tail»-Trend und Bemühungen für einen bewussteren Umgang mit Fleisch erleben diese vergessenen Fleischzuschnitte heute ein wohlverdientes Revival. Special Cuts sind übrigens auch attraktiv für‘s Portemonnaie, denn im Vergleich zu Edelstücken sind sie zum Teil um einiges günstiger.
- 1
- 2
- 3
- 4
- 5
- 6
- 7
- 8
- 9