„Jeds Johr a Kind, viel Orbat unt koan Plotz“

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Nirvana Buratti Thöni, Jg. 1944, geboren in Bozen kam als Sechsjährige nach Zerkaser in Langtaufers. Liebevoll kümmert sie sich täglich um ihre Blumen und um ihre Hühner. Von ihrer Herkunftsfamilie erfuhr sie erst im Laufe der Jahre einige Details. Nirvana Buratti Thöni, Jg. 1944, geboren in Bozen kam als Sechsjährige nach Zerkaser in Langtaufers. Liebevoll kümmert sie sich täglich um ihre Blumen und um ihre Hühner. Von ihrer Herkunftsfamilie erfuhr sie erst im Laufe der Jahre einige Details.

Ihre Eltern lernte Nirvana nie kennen, auch nicht ihre vier Schwestern. Denn sie wurde als drei Wochen altes Baby ins Eggental in Pflege gegeben. Im Alter von sechs Jahren kam sie zu ihren Zieheltern auf den Hof in Zerkaser in Langtaufers.

von Magdalena Dietl Sapelza

Mit Hunden pflegte Nirvana immer eine besondere Beziehung. Die Vierbeiner schenkten ihr jene Zuwendung, die sie als Pflegekind im Haus zweier Schwestern in Birchabruck so sehr vermisste. Sie war drei Wochen alt, als sie dorthin gebracht wurde. Ihre Mutter war nicht in der Lage gewesen, sie zu versorgen, und ihr Vater befand sich in russischer Kriegsgefangenschaft. Im Haus lebten noch fünf weitere Pflegekinder. Nirvana hielt sich die meiste Zeit im Freien auf. „Di Fräulein fa dr Post hobm miar oft a Butterbrot gebm“, erinnert sie sich. Nachdem zwei der Pflegekinder plötzlich starben, wurden die übrigen abgeholt. Nirvana war sechs Jahre alt. Sie kam zu ihren Zieheltern Kassian und Elisabeth Padöller nach Langtaufers. Das Paar hatte keine eigenen Kinder. „I bin unterernährt gwesn, hon an Kropf kopp unt Lais“, erzählt sie. „Unt a morts Ongscht vorn Viech hon i a kopp“. Der Gemeindearzt habe gemeint, dass sie angesichts ihrer „Hennabrust“ eine Kinderlähmung durchgemacht haben könnte. Nirvana wurde aufgepäppelt. Im Hof lebte eine zweite Familie mit fünf Buben. Mit denen tobte sie schon bald unbeschwert herum. „Lai wenn eppas drstellt gwortn isch, bin‘s olm i gewesn,“ erinnert sie sich. Einer der Nachbarsbuben spielte Klavier. Nirvana liebte es, ihm zuzuhören und dazu zu singen. Oft sang sie auch für sich allein und vergaß dabei die Welt. Da sie einen italienischen Namen hatte, wurde sie im Tal von vielen als Außenseiterin betrachtet. Sie litt sehr darunter. „I hon koan Wert kett“, meint sie. Ihre Ziehmutter starb als sie 13 Jahre alt war. Sie war gefordert deren Arbeiten zu übernehmen, so gut sie konnte. Auf dem Hof lebte auch der Neffe des Ziehvaters Kassian Thöni. Er war 15 Jahre älter als Nirvana. Es begann ein Techtelmechtel zwischen den beiden. Mit 15 Jahren wurde sie schwanger und mit 16 Jahren brachte einen Sohn zur Welt. „I hon long nit gwisst, dass i schwonger bin, weil i nit aufgklärt gwesn bin“, verrät sie. Nirvana war bereits ein zweites Mal Mutter geworden, ehe sie Kassian im Mai 1963 in der Lourdeskirche in Laas zum Traualtar führte. Kurz darauf starb auch ihr Ziehvater, den sie sehr geschätzt hatte. Nirvana und ihr Mann übernahmen den kleinen Hof. Drei weitere Kinder kamen zur Welt. Es wurde eng im Haus. „Jeds Johr a Kind, viel Orbat unt koan Plotz“, beschreibt sie die Situation. Der Ertrag des Hofes war gering. Kassian verdiente sich als Gelegenheitsarbeiter etwas zum Lebensunterhalt dazu. Nachdem ihre Kinder aus dem Gröbsten waren, trug auch Nirvana das ihre dazu bei. Sie arbeitete im Gastgewerbe in Nauders, auf der Melager Alm und in einem Gasthof in der Nachbarschaft. 1994 bremste ein Schlaganfall ihren Tatendrang. Dank schneller Hilfe erholte sie sich. Im Dezember 2000 kurierte sie eine schwere Grippe nicht richtig aus. Denn sie wollte im Gasthof nicht fehlen. Die Folge war eine schmerzende Nervenentzündung. Sie landete in der Intensivstation. „Selm hon is glaim kett. Si hobm schun olla maine Kindr zammagriaft“, sagt sie. Ein Arzt vermutete, ihre Krankheit könnte mit einer erlittenen Kinderlähmung zusammenhängen. Nachdem sie sich langsam erholt hatte, brachte er ihr schonend bei, dass sie wahrscheinlich nie wieder werde gehen können. „Norr hon i earsch recht an Willan kriag“, betont sie. Und sie kam wieder auf die Beine. „Es geaht olz fan Kopf aus“, erklärt sie. Allerdings musste sie kürzertreten.
Nirvana ist längst keine Außenseiterin mehr. Sie hat sich viele Verdienste in der Langtauferer Gemeinschaft erworben, als Sängerin im Kirchenchor, als Lektorin, als Mitarbeiterin im KVW, als Theaterspielerin und Regisseurin der Heimatbühne Langtaufers. „Selm bin i ihna oft a bissl zu streng gwesn“, meint sie. Ihre Aktivitäten schränkte sie ein, nachdem ihr Mann schwer erkrankt war. Fürsorglich pflegte sie ihn, bis er 2011 starb. Seither lebt sie allein. Ihre Kinder besuchen sie regelmäßig. Nirvana hört gerne Radio, liest und rätselt gerne. Sie hat ein exzellentes Zahlengedächtnis. „I hon amol olla Festnetznummern fa Longtaufers auswändig gwisst“, verrät sie. Hunde waren auf dem Hof in all den Jahren immer ihre treuen Begleiter. Eine besondere Liebe verband mit ihrem „Shrek“, der vor kurzem altersbedingt eingeschläfert werden musste. Mit Tränen in den Augen schaut sie auf sein Bild an der Wand und sagt: „Deis isch a bsunderes liabs Viech gwesn.“

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