Nachgedacht im November
Das ist in Südtirol neu: Der Rücktritt des Bischofs wird von verschiedenen Seiten gefordert, sogar im Landtag wurde dies thematisiert. Der Grund: Bischof Ivo versetzte einen Priester, dessen Fall im Missbrauchsgutachten vom Beginn des Jahres 2025 beschrieben ist, in eine andere Pfarrei. Brisant ist die Tatsache, dass die Schuld des Priesters juristisch feststeht, und zwar unzweideutig. Dieser entging einer Bestrafung lediglich dadurch, dass der Fall verjährt war. In Anbetracht dessen, wie belastet die Kirche schon seit Jahren mit der Missbrauchsthematik ist, kann der Entscheid des Bischofs – den gesunden Menschenverstand vorausgesetzt – nicht nachvollzogen werden. Die Forderungen nach seinem Rücktritt sind Folge seines unbedachten Handels. Sie zeigen aber vor allem eines: Das Vertrauen ist verloren gegangen. Und egal, wie das Ganze nun weitergeht, Bischof Ivo wird sein Amt nicht mehr mit der Unbefangenheit ausüben können, die für dieses Amt zwingend ist. Eben wegen des weitgehend verloren gegangenen Vertrauens. Über den Rücktritt hat aber nur er selbst zu entscheiden, ganz sicher nicht unqualifizierte Demagogen, die sich in den Landtag verirrt haben. Dennoch sollte Bischof Ivo das starke Zeichen nicht unterschätzen, welches ein Rücktritt gerade in diesem Moment setzen würde: Der Weg für einen Neustart würde frei werden. Vertrauen und Respekt könnten wiedergewonnen werden. Unabhängig davon, ob es zu einem Rücktritt kommt oder nicht: es gibt viel drängendere Fragen. Derzeit geistert die Zahl sieben durch das Bewusstsein: in 20 Jahren sind in der Diözese Bozen-Brixen noch 7 (!) dienstfähige Priester im Einsatz. Alle anderen sind verstorben oder im biblischen Alter (der Schreibende eingeschlossen). Ich erwarte von den Verantwortlichen schon lange eine tragfähige Strategie der zukünftigen Seelsorge, die über die Notlösung von Seelsorgeeinheiten hinausgeht. So könnte der Bischof von Bozen-Brixen zusammen mit anderen Kollegen im deutschsprachigen Raum, welche dieselben Personalprobleme haben, in Rom ein Indult erwirken. Das ist ein kirchenrechtlicher Akt, in welchem der Bischof eine Dispens von den allgemein gültigen Regeln bittet. Dieses könnte die Weihe von verheirateten Männern und ggf. Frauen beinhalten. Wir haben in der Diözese genügend Menschen – Frauen und Männer – die hier in Frage kämen. Dieser Schritt ist aber noch nicht passiert. Stattdessen kreiert man Horrorszenarien mit eben diesen sieben Priestern für die ganze Diözese, ohne sich der Verantwortung zu stellen, alle kirchenrechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Und eines ist klar: Wenn Seelsorgende vor Ort nicht mehr spürbar sind, geht die kulturelle Identität unseres Landes völlig verloren. Und das betrifft dann nicht nur die Kirche, sondern die Gesellschaft als Ganzes.