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Kultur

Plauser Totentanz

von Heinrich Zoderer
veröfftl. am 28. Oktober 2025

HEARGOTT ISCH DESS LEBM SCHIAN - LAI SCHIANR NOU WERD AUFRSTIAN. (Herrgott ist das Leben schön - schöner noch wird nur das Auferstehen.)

„Memento Mori“

Wir alle wissen, auch wenn wir es erfolgreich verdrängen: unser Leben ist begrenzt, irgendwann werden wir sterben. Im Altertum und im Mittelalter war der Gedanke der Vergänglichkeit des Lebens stark präsent. Der Ausdruck „Memento Mori“ bedeutet so viel wie „Bedenke, dass du sterben wirst“. Gemeint ist damit die Aufforderung, sich jederzeit seiner eigenen Sterblichkeit bewusst zu sein. Als Vanitassymbol ist es seit dem Mittelalter ein beliebtes Kunstmotiv und wird durch den Sensenmann, Totenköpfe, Sanduhren und welkende Blumen dargestellt. Die gegensätzlichen Motive von Todesangst (Memento Mori - Bedenke, dass du sterben wirst) und Lebenswille (Carpe Diem - Nutze den Tag) werden vor allem im Barock, einer Zeit religiöser und gesellschaftlicher Umbrüche, oft in der Kunst dargestellt und in der Musik und Literatur behandelt. Der Totentanz wirkt dabei wie eine Drohung an die Mächtigen: die gesellschaftlichen Gegensätze werden mit dem Tod aufgehoben. Spätestens im Tod sind alle Menschen gleich. Angesichts des Todes erweisen sich Schönheit, Jugend, Reichtum und Macht als vergängliche irdische Werte. Andererseits erhält das Leben durch seine Begrenztheit erst einen tieferen Sinn. Jeder Tag wird zu einem Geschenk, das nicht selbstverständlich ist und das gefeiert werden muss. Jede Begegnung, jede Erfahrung und jede Tat haben einen besonderen Wert, weil es die letzte Begegnung und die letzte Tätigkeit sein kann.

Der Plauser Totentanz: 1910 geschaffen, 2001 von Luis Stefan Stecher ganz neu gestaltet
Es gibt viele bekannte Totentänze u.a. in Paris, Berlin, Dresden, Lübeck, Basel, Chur. Bekannt in Südtirol ist der Plauser Totentanz. Bei der Friedhofserweiterung im Jahre 1910 wurde der Latscher Maler Gottfried Gamper beauftragt an der Friedhofsmauer Totentanzbilder nach dem Vorbild der Holzschnitte von Hans Holbein dem Jüngeren zu schaffen. Im Jahre 1994 traten der damalige Bürgermeister Arnold Schuler und der Pfarrgemeinderatspräsident Heinrich Kainz an den bekannten Vinschger Maler und Poeten Luis Stefan Stecher heran mit dem Ersuchen, den Totentanz neu zu gestalten. Nach 7 Jahren konnte am 13. Mai 2001 der neue Plauser Totentanz mit 18 Bildtafeln von insgesamt 36 m Länge, an der Friedhofsmauer der romanischen Kirche St. Ulrich, mitten im neugestalteten Ortskern von Plaus fertig gestellt und feierlich eingeweiht werden. Die Bildtafeln enthalten eine ganze Lebensphilosophie, sind Zeugnisse der dichterischen Kraft im Vinschger Dialekt und der malerischen Poesie von Luis Stefan Stecher. Im Jahre 2003 hat Ulrike Stecher, die Tochter des Malers und Poeten im Buch „Luis Stefan Stecher: Plauser Totentanz“ die Bildtafeln abgebildet, beschrieben und ausführlich erläutert. Im Sommer 2025 hat Ulli Stecher zusammen mit Heinrich Kainz eine Neuauflage des Buches mit den 18 Bildtafeln und kurzen Texten in deutscher, italienischer und englischer Sprache herausgegeben.

HOLT OUN A WAILELE BLAIB SCHTIAN NOR WOASCH VILAICHT WIA WAITRGIAN.   (Halt an ein Weilchen, bleib stehn, dann weißt vielleicht wie weitergehn.)

HOLT OUN A WAILELE BLAIB SCHTIAN NOR WOASCH VILAICHT WIA WAITRGIAN. (Halt an ein Weilchen, bleib stehn, dann weißt vielleicht wie weitergehn.)

A PFURRER LAI ISCH INZR ZAIT - WOLL WOLTALONG DI EEWIKAIT...  (Ein Schnurrer nur ist unsere Zeit - doch sehr lang ist die Ewigkeit...)

A PFURRER LAI ISCH INZR ZAIT - WOLL WOLTALONG DI EEWIKAIT... (Ein Schnurrer nur ist unsere Zeit - doch sehr lang ist die Ewigkeit...)

O LOTT SUI GROOD DI GROASSN NAAMEN - DOO ENTN WEARNSI KLIANR AAMEN.  (O lasst ihnen grad‘ die großen Namen - dort drüben werden sie kleiner - Amen.)

O LOTT SUI GROOD DI GROASSN NAAMEN - DOO ENTN WEARNSI KLIANR AAMEN. (O lasst ihnen grad‘ die großen Namen - dort drüben werden sie kleiner - Amen.)

BOLL DR TOAT IN KORRN ZIACHT - NOR HUK LAI AUF UNT SCHAU INZ LIACHT.  (Wenn der Tod den Karren zieht - dann sitzt ruhig auf und schau ins Licht.)

BOLL DR TOAT IN KORRN ZIACHT - NOR HUK LAI AUF UNT SCHAU INZ LIACHT. (Wenn der Tod den Karren zieht - dann sitzt ruhig auf und schau ins Licht.)

LAICH ISCH LAICH, ISCH OLM LAI LAICH - PANN HUAMGIAN SAIMR OLLE GLAICH.  (Leiche ist Leiche, ist immer nur Leiche - beim Heimgehen sind wir alle gleich.)

LAICH ISCH LAICH, ISCH OLM LAI LAICH - PANN HUAMGIAN SAIMR OLLE GLAICH. (Leiche ist Leiche, ist immer nur Leiche - beim Heimgehen sind wir alle gleich.)

TONZN TIAN MIAR OLLE GEARN - LAI NIT MIT SOU DURRE HEARRN.  (Tanzen tun wir alle gern - nur nicht mit so dürren Herren.)

TONZN TIAN MIAR OLLE GEARN - LAI NIT MIT SOU DURRE HEARRN. (Tanzen tun wir alle gern - nur nicht mit so dürren Herren.)

GEA DU LAI MASCHGRA JOOR FIR JOOR - DR TOAT RAISST DIR DAI LORF SCHUN OR.  (Geh du nur verkleidet, Jahr für Jahr - der Tod reißt dir die Maske schon runter.)

GEA DU LAI MASCHGRA JOOR FIR JOOR - DR TOAT RAISST DIR DAI LORF SCHUN OR. (Geh du nur verkleidet, Jahr für Jahr - der Tod reißt dir die Maske schon runter.)

JUNGE VIELE, OLTE OLLE, - UM GOLLI GHEARN DI WIESN OLLE  (Viele Junge, alle Alten - um Golli gehören die Wiesen jedem.)

JUNGE VIELE, OLTE OLLE, - UM GOLLI GHEARN DI WIESN OLLE (Viele Junge, alle Alten - um Golli gehören die Wiesen jedem.)

DO KONN A MUATTR NOU SOU REARN - DR TOAT HOT AA DI † KINDR † GEARN.  (Da kann eine Mutter noch so viel weinen, der Tod hat auch die Kinder gern.)

DO KONN A MUATTR NOU SOU REARN - DR TOAT HOT AA DI † KINDR † GEARN. (Da kann eine Mutter noch so viel weinen, der Tod hat auch die Kinder gern.)

LOTTR, PAUR UNT GAISCHTLICHKAIT - KUANR WOASS DI SCHTUND, DI ZAIT.  (Bettler, Bauer und Geistlichkeit - keiner weiß die Stund‘, die Zeit.)

LOTTR, PAUR UNT GAISCHTLICHKAIT - KUANR WOASS DI SCHTUND, DI ZAIT. (Bettler, Bauer und Geistlichkeit - keiner weiß die Stund‘, die Zeit.)

DU RAITR RAIT LAI DURCH DES TOL - DU HEARSCH DI TRUMML S‘LESCHTE MOL  (Du Reiter reite nur durch das Tal - du hörst die Trommel das letzte Mal.)

DU RAITR RAIT LAI DURCH DES TOL - DU HEARSCH DI TRUMML S‘LESCHTE MOL (Du Reiter reite nur durch das Tal - du hörst die Trommel das letzte Mal.)

UAMOL FOLT A A LARCH AFT SAIT - KUA BAAM WOXT BIS INT EEWIGKEIT  (Einmal fällt auch der Larchbaum zur Seite - kein Baum wächst bis in die Ewigkeit)

UAMOL FOLT A A LARCH AFT SAIT - KUA BAAM WOXT BIS INT EEWIGKEIT (Einmal fällt auch der Larchbaum zur Seite - kein Baum wächst bis in die Ewigkeit)

DESS ISCH DI WOHRAT WOLL ZALESCHT - MIAR SAIN LAI GASCHT WIA OLLE GESCHT   (Das ist die Wahrheit wohl zuletzt - wir sind nur Gast wie alle Gäste)

DESS ISCH DI WOHRAT WOLL ZALESCHT - MIAR SAIN LAI GASCHT WIA OLLE GESCHT (Das ist die Wahrheit wohl zuletzt - wir sind nur Gast wie alle Gäste)

GROASS ISCH DESS LEBM LIACHT UNT TRIAB - SCHTARK WIA DT TOAT ISCH LAI DI LIAB   (Groß ist das Leben, hell und trüb - stark wie der Tod ist nur die Liebe.)

GROASS ISCH DESS LEBM LIACHT UNT TRIAB - SCHTARK WIA DT TOAT ISCH LAI DI LIAB (Groß ist das Leben, hell und trüb - stark wie der Tod ist nur die Liebe.)

OLM ER ZWOA SCHRITTLAN HINTERN HAUS - DEER VOURSCHPRUNG MOCHT DESS LEBM AUS (Immer ist er zwei kleine Schritte hinterm Haus, der Vorsprung macht das Leben aus.)

OLM ER ZWOA SCHRITTLAN HINTERN HAUS - DEER VOURSCHPRUNG MOCHT DESS LEBM AUS (Immer ist er zwei kleine Schritte hinterm Haus, der Vorsprung macht das Leben aus.)

HEB MUATTR INZ DIA OLLZ VERSCHTEAT AM LOASTOOG BOLS ZUM HUAMGIAN GEAT  (Halte uns Mutter, die alles versteht am Sterbetag, wenn es zum Heimgehen geht)

HEB MUATTR INZ DIA OLLZ VERSCHTEAT AM LOASTOOG BOLS ZUM HUAMGIAN GEAT (Halte uns Mutter, die alles versteht am Sterbetag, wenn es zum Heimgehen geht)

ENTERPRUGG ENTN WEARN MIAR VERSCHTIAN DO WEARN INZ WIA KINDR DI AUGN AUFGIAN  (Hinter der Brücken drüben werden wir verstehen, da werden uns wie Kindern die Augen aufgehen)

ENTERPRUGG ENTN WEARN MIAR VERSCHTIAN DO WEARN INZ WIA KINDR DI AUGN AUFGIAN (Hinter der Brücken drüben werden wir verstehen, da werden uns wie Kindern die Augen aufgehen)