
„Miar sain in Ladum di beschtn Tänzer gwesn“

Hermann Weissenhorn, geboren 1952 in Glurns, wohnt in Algund. Das Foto ist während seines Meeraufenthaltes bei Rimini entstanden, den er im Juni mit seiner Partnerin Anna dort verbracht hat.
Der Standesbeamte in Glurns muss 1952 wohl noch immer vom faschistischen Geist beseelt gewesen sein, als er den Namen Enrico Ermanno eingetragen hat. Daheim war Enrico der Hermann. Er wuchs als siebtes Kind der Familie Weissenhorn mit zehn Geschwistern in Glurns auf. Der Vater arbeitete als Handlanger beim Bau des Staudammes in Martell, den er mit dem Fahrrad erreichte. Die Mutter kümmerte sich um Kind und Kegel und um die kleine Bauerschaft in Glurns sowie um jene einer Tante in der „Lochmühle“ bei Tartsch. Hermann ließ sich nie unterkriegen und setzte sich schon im Kindergarten durch. „I hon miar nix gfolln glott“ betont er. Bei Wild-West-Spielen als Volksschüler schlüpfte er in die Rolle des Banditen Andy. „Unt nor hon i den Nomen pickn kopp“, erklärt er. Das Fußballspielen liebte er ganz besonders. Er war kämpferischer Stürmer und Stütze seiner Mannschaft. Doch schon bald musste er die Fußballschuhe an den Nagel hängen und am Glurnser Köpfl Galtvieh hüten. Alles Aufbäumen und Weinen waren umsonst. „A horter Bua plärrt nit, hot dr Votr gsog“, erinnert er sich. Während seine Kollegen dem Ball nachjagten, lebte er in der Einsamkeit. „I hon di Berg ghosst“, bekennt er. Nach Abschluss der Pflichtschule war er froh, dass ihm sein Bruder Hans eine Stelle im „Hotel Greif“ in Bozen vermittelte, wo er die Rezeption bediente. Mit dem Führerschein C in der Tasche nahm er zwei Jahre später die Arbeit als Lieferant in einer Metzgerei in St. Moritz an. „Selm hon i viel Trinkgelt kriag“, schwärmt er. Den Militärdienst absolvierte er in Cuneo. Anschließend kam er nach Bruneck und dann nach Brixen, wo er einem „Colonello“ als Fahrer zugeteilt wurde. Damit er auch das Nachtleben genießen konnte, täuschte er seine nächtliche Anwesenheit mit Hilfe einer Perücke auf dem Kissen vor. Einige Zeit ging alles gut. Dann wurde die Täuschung entdeckt. Zwei Tage Knast war die Strafe und seine Versetzung nach Aquila. Dort verpflichtete ihn ein „Sottotenente“ aus der Unternehmerfamilie Agnelli als Fahrer. „Selm hon i a scheans Lebm kopp unt bin in noble Kreise innikemman“, schwärmt er. Nach der Militärzeit kehrte er nach St. Moritz in die Metzgerei zurück. Hermanns große Leidenschaft war und ist das Tanzen. Regelmäßig besuchte er das Tanzlokal „Ladum“ in Prad, genauso wie sein Bruder Toni. „Miar sain in Ladum di beschtn Tänzer gwesen“, sagt Hermann: „Unt inz hobmsi di Tango Briadr ghoaßn.“ Als Dauergast wurde Hermann gefragt, ob er nicht Disc-Jockey werden wolle. Er nahm den Job an. „In Ladum bin i nor olm der Andy gwesn“, erklärt er. Jeden Abend um 21.00 Uhr legte er die erste Schallplatte auf und verabschiedete sich nach sieben Stunden mit dem Lied „Bye, bye bis morgen“. Er erfüllte Musikwünsche und spielte das, was den Gästen gefiel. Irgendwann setzten ihm die Nachtarbeit und der Schlafentzug so zu, dass er aufgeben musste. Nach einem kurzen Aufenthalt auf einer Alm wurde er Getränkelieferant für die Firma Walzl in Glurns. Fünf Jahre später wechselte er in die Malerfirma seines Bruders Toni. Dann wurde er Mitarbeiter der Firma Interpul in Lana und schließlich bis zu seiner Pensionierung 2015 bei Maxi CC Lana.
Privat hat sich Hermann bei seiner Partnerin, der Maßschneiderin Anna Egger (Jg. 1951), in Algund niedergelassen. „I bin erscht seit 2023 Algunder, vorher bin i olm Glurnser gwesn“, erklärt er. Er und Anna haben eine gemeinsame Tochter und mittlerweile zwei Enkelkinder. Kennengelernt hatte er Anna einst im Tanzlokal Ladum. Die beiden unternehmen vieles gemeinsam und verstehen sich gut.
Hermann liebt seine Freiheit. Und Anna gesteht ihm diese auch zu. Er spielt Tennis, fährt Fahrrad und nimmt gelegentlich auch wieder den Malerpinsel in die Hand. Leidenschaftlich gerne besucht er Tanzabende.
„Af miar wortn selm olm an Haufn Tanzpartnerinnen“, lacht Hermann. „I spiel obr pa olle mit offne Kortn.“ Er ist sportlich und achtet auf seine Figur. Jedes Jahr macht er eine längere Fastenkur, die er eisern durchhält. „Wenn i eppas in Grint hon, ziachis durch“, betont er. Regelmäßig fährt er in den Vinschgau. Er besucht die Geschwister und die Bekannten in der Stadt Glurns.
Bisher hat er noch nie daran gedacht, seinen Namen richtig stellen zu lassen. Denn er kann gut mit „Enrico Ermanno“ im Ausweis leben.