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Titel

Ruhig Blut

von Erwin Bernhart
Vinschgau - Ab 26. Oktober beginnt im Vinschgau eine zuglose Zeit. Die Züge gehen heuer in den Winterschlaf. Einmal mehr wird von den Vinschger:innen Geduld abverlangt - mit einem hehren Ziel: neue, längere und elektrische Züge. Ende März 2026 wird es ein neues Erwachen geben - mit neuem Signalsystem, mit Oberleitungen unter Strom. Zwischen November 2025 und März 2026 ist derweil Buszeit.
veröfftl. am 01. Oktober 2025

Sonntag, 26. Oktober 2025: Kein Zug fährt mehr von Meran bis Mals. Der Tag, der im Jänner 2025 bereits angekündigt war, rückt näher, steht vor der Tür.
Der Übergang zu den Bussen wird sanft, weil ab 27. Oktober die Schulferien zu Allerheiligen beginnen. Für die Busse, die vom Amt für Personennahverkehr anstelle des Zuges eingerichtet werden, wird es dann nach Allerheiligen ernst.
Die Bahnstrecke zwischen Mals und Meran ist bis Ende März 2026 zugfrei. Zumindest passagierfrei. Genau so, wie es die Bahnstrecke Mals-Eyrs seit Februar ist.
Ein erster und neuer Zug soll im Jänner 2026 kommen. Das sagen STA-Generaldirektor Joachim Dejaco und der STA-Projektverantwortliche Michael Prader (v.r. im Bild oben). Was passiert aber bis dahin? Und was ist denn bisher gemacht worden? Vor allem auf der Bahnstrecke zwischen Eyrs und Mals, die ja seit Februar komplett gesperrt ist?
Am 6. Oktober wird es zu all diesen Fragen eine Info-Veranstaltung im CulturForum in Latsch geben. Die Südtiroler Transportstrukturen AG (STA) und die Bezirksgemeinschaft werden den Stand der Arbeiten und die Aussichten an die Gemeindepolitker, an die Touristiker, an Handwerk und Industrie, an die Schulverantwortlichen und an alle Interessierten kommunizieren.
Amtsdirektor Mirko Waldner vom Amt für Personennahverkehr wird Auskunft über den Busersatzdienst geben.
Eines kann man sagen: Die Feuerprobe für den Busersatzdienst, für den Schülertransport und für den Transport von Gästen ist zumindest im Obervinschgau überstanden. Einen zuglosen Sommer, in dem sich der Zug auch von Seiten der Gäste größter Beliebtheit erfreut und viele Nutzerzahlen aufweist, hat es nur im Obervinschgau gegeben. Einen zuglosen Sommer wird es für den ganzen Vinschgau nicht geben. Einen zuglosen Winter, eine zuglose Weihnachtszeit aber schon. Wie wurde die Zugsperre Mals-Eyrs auf der Bahnstrecke genutzt? Hat man das abarbeiten können, was man sich vorgenommen hat?
Michael Prader, der sämtliche Arbeiten rund um den Vinschger Zug, von den Gleisen bis zu den Oberleitungen, überwacht, koordiniert und leitet, sagt, „ja wir haben all das, was wir uns vorgenommen haben, machen können.“ Die Oberleitungen sind aufgebaut, die Ausleger, die die Stromleitung halten, sind von Mals bis Meran vorhanden. Von Mals bis Eyrs sind die Oberleitungen mit entsprechenden Erdungsleitungen abgesichert worden. Das sind jene „Erdseile“, die entlang der Masten verlaufen. „Wir haben das gesamte Elektrische System an die Schienen angeschlossen, damit bei einem eventuell auftretenden Kurzschluss die Sicherheit gewährleistet ist“, sagt Prader. Schutzvorrichtungen wurden an Brücken angebracht.
Die ganze Erdungs- und Sicherheitsarbeiten waren sehr aufwändig. Die Oberleitungen zwischen Mals und Eyrs wurden unter Strom gesetzt. Dazu hat das Vinschgauer Energiekonsortium VEK über das Unterwerk beim Tartscher Bichl den Strom bereitgestellt. „Wir haben Kurzschlusstest gemacht“, sagt Prader, um festzustellen, ob alle Schutzvorrichtungen funktionieren. „Die Anlage ist betriebsbereit“, sagt Prader.
„Das sind Sachen, die niemand sieht“, ergänzt Joachim Dejaco. Dabei ist gerade das Feintuning aufwändig, erfordert Zeit und Geduld. Vor allem ist diese Form einer Elektroanlage, die Elektrifizierung eines Zuges, für die STA Neuland und die Teststrecke zwischen Eyrs und Mals dient als Know-How-Aufbau. Mittlerweile sind 5 qualifizierte Elektriker angestellt, alle aus Südtirol. „Wir haben ein komplett neues Team in einem komplett neuen Arbeitsumfeld aufgebaut“, sagt Dejaco.
Ein zweites großes Paket auf der Strecke Mals- Eyrs ist der Abbau des alten und die Installation des neuen Signalsystems. Auch das neue Signalsystem ist so gut wie betriebsbereit. „Wir haben mit den Dieselzügen Testfahrten unternommen, nur für das Signalsystem“, so Prader. „Wir haben auf dem Abschnitt Eyrs-Mals all das installieren, durchexerzieren und testen können, war wir nun auf die gesamte Bahnstrecke anwenden können.“
„Es wurde seit der Zeit der Sperre also auf vielen Baustellen gearbeitet“, sagt Dejaco, der auch auf die Baustellentrupps hinweist, die bisher im Abschnitt Eyrs-Mals und mittlerweile auf der gesamten Strecke unterwegs sind. Zeitweilig waren um die 40 bis 50 Leute auf dem Schienenstrang Meran-Mals im Einsatz. Und zwar in der Nacht - 10 Nachtschichten und dann 4 Tage Ferien. Rund 30 Arbeiter für die Oberleitungen und rund 10 für die Signaltechnik. Die Ausleger, die dann die Oberleitung halten werden, sind auf der gesamten Strecke installiert (ein kleines Stück bei Staben fehlt noch), diverse Kabel und Stränge gezogen. Diese Arbeiten sind nicht so ersichtlich, wie es die Installation der Masten war, die - ebenfallsnachts aufgestellt - in der Früh plötzlich dagestanden sind.
„Den Abschnitt Meran-Eyrs wollen wir nun zur Zulassung bringen“, sagt Prader. Ein Zertifikat von einem dritten bzw. externen Prüfer, vom Büro Veritas, ist bereits vorhanden. Sämtliche Unterlagen werden bei der Aufsichtsbehörde in Bozen für die Zulassung eingereicht. Eine Zulassung beinhaltet auch den Transport von Fahrgästen. Im Laufe dieses Zulassungsverfahrens sollen offene Fragen geklärt und eventuelle technische Beanstandungen behoben werden. Die Zeitspanne der Sperre wurde genau für diese Zwecke errechnet. Man rechnet sich aus, dass die Zulassung bis Jahresende für den Abschnitt Eyrs-Mals erteilt wird.
„Wenn dann diese abgeklärten Installationen von Laas bis Meran erweitert werden, dann ist mit einer raschen Zulassung der gesamten Strecke zu rechnen“, erläutert Prader den Fahrplan.
Genau das soll in den kommenden Monaten passieren. Das im Obervinschgau gesammelte Know-How in Bezug auf Sicherheits- und Elektrotechnik und in Bezug auf die neue Signaltechnik soll auf den Bahnabschnitt Eyrs - Meran übertragen werden.

Wenn der Zugverkehr am 26. Oktober auf der gesamten Strecke eingestellt sein wird, wird das bisherige Signalsystem abgebaut. Die Oberleitung ist mit dem alten Signalsystem nicht kompatibel. „Da gibt es dann kein Zurück mehr“, sagt Dejaco. Auch die vorhandenen Dieselfahrzeug werden schrittweise auf das neue Signalsystem umgebaut. Das geschieht auch in der Vorauschau, dass die Flirtzüge im Pustertal ebenfalls umgerüstet werden müssen. In den zeiten des Umbaues werden die Dieselzüge aus dem Vinshjgau zu Einsatz kommen.
Im Jänner 2026 wird ein neuer Elektro-Testzug kommen. „Wir werden den neuen Zug voraussichtlich auf der Strecke Eyrs-Mals unter Strom testen und wir werden den neuen Zug unter Strom auch auf der Strecke Meran-Marling testen“, sagt Prader. Diese Tests betreffen den Zug. Denn die Strecke selbst und das Signalsystem wird sukzessive mit den Dieselzügen getestet. Die Zugsperre wird auch dazu genutzt, das Gleis in der Zugunterführung bei Kortsch abzusenken, damit eine durchgehend unter Strom gesetzte Oberleitung möglich sein wird.
Den Busdienst, die Abfahrtszeiten und die Frequenzen, wird das Amt für Personennahverkehr organsieren und die dazugehörigen Fahrpläne zeitnahe veröffentlichen.

Ab Ende März, also wenn die gesamte Strecke wieder in Betrieb genommen wird, wird nur mit den Dieselzügen gestartet. „Der Dienst wird bis Laas, so wie heute, aufgenommen, mit dem Halbstundentakt“, sagt Dejaco. Warum nur bis Laas? Weil für die gesamte Strecke zu wenig Züge vorhanden sein werden.
Die Bahnsteigverlängerungen um bis zu 15 Meter, die aufgrund der geänderten Zugankäufe (Bombardier wurde von Alstom aufgekauft und über Alstom wurden dann andere und längere Züge mit Ersatzteilgarantien angekauft, 6 Züge wurden zusätzlich von der ÖBB angekauft) notwendig geworden sind, werden Schritt für Schritt ausgeführt. Wichtig sei es, so Dejaco, dass vorerst die Kanten exakt gesetzt werden. Der restliche Ausbau, die Pflasterung usw. kann dann problemlos und unabhängig von den Zugfahrten ausgeführt werden.
Mit Ende März 2026 geht die Strecke also wieder so auf, wie sie am 26. Oktober 2025 geschlossen worden ist. Bis dahin - ruhig Blut im Vinschgau.

Die Oberleitung unter Strom: Ausgeklappte Seilträger in Schluderns

Die Oberleitung unter Strom: Ausgeklappte Seilträger in Schluderns