150 Jahre Julius-Payer-Hütte

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Der Bau des großen Schlafhauses (1906 – 1909) sollte das jahrelange „Überfüllungsproblem“ lösen  (Archiv des Deutschen Alpenvereins – München)  rechts: König August Friedrich von Sachsen bei der Schaubbachhütte (1913) (Anna Kuntner) Der Bau des großen Schlafhauses (1906 – 1909) sollte das jahrelange „Überfüllungsproblem“ lösen (Archiv des Deutschen Alpenvereins – München) rechts: König August Friedrich von Sachsen bei der Schaubbachhütte (1913) (Anna Kuntner)

Die Julius-Payer-Hütte thront majestätisch auf 3.029 Metern Höhe am Fuße des Ortlers – dem höchsten Gipfel Südtirols. Bereits im Jahr 1875 errichtete die Sektion Prag des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins an diesem Ort die erste Selbstversorgerhütte der Region. Sie galt damals als die höchstgelegene Hütte der Deutschen und Österreichischen Alpen.

von Karin Ortler
(Autorin des Buches „Die Julius-Payer-Hütte)

Sie wurde nach dem erst 34-jährigen Julius von Payer benannt, einem gebürtigen Teplitzer (heute Tschechien) und bedeutenden österreichischen Polarforscher, der durch Erstbesteigungen im Ortlergebiet und Trentino sowie internationale Anerkennung früh Berühmtheit erlangte.
In den folgenden Jahrzehnten wurde die Julius-Payer-Hütte mehrfach erweitert, um dem zunehmenden Besucherandrang und den wachsenden Ansprüchen an Komfort gerecht zu werden. So entwickelte sich ein vielschichtiger Gebäudekomplex.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts avancierten Sulden und Trafoi zu beliebten Urlaubszielen des gehobenen Tourismus – vergleichbar mit bekannten Kurorten wie Zermatt oder St. Moritz. Adelige, wohlhabende Bürger und einflussreiche Persönlichkeiten verbrachten hier ihre Sommermonate.
Die Julius-Payer-Hütte war mehr als nur ein alpiner Stützpunkt – durch ihre exponierte Lage und die Verbindung zum berühmten Polarforscher Julius Payer wurde sie zum Symbol für die Pionierleistungen des 19. Jahrhunderts. Ihre besondere Lage machte sie weit über die Alpen hinaus bekannt; sie galt als „à la mode“ und war Gesprächsthema in den Salons von Prag, Berlin und Wien. Anfang des 20. Jahrhunderts zählten prominente Gäste wie der deutsche Kronprinz Friedrich Wilhelm, Erzherzog Leopold Salvator und König August Friedrich von Sachsen u.v.a. zu ihren Besuchern.
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs war die erste drastische Zäsur. Während des Krieges wurde die Julius-Payer-Hütte, wie viele andere Schutzhütten, vom österreichischen Militär beschlagnahmt. Die nächste große Veränderung folgte nach Kriegsende: Die ursprünglich von der Sektion Prag des DuÖAV erbaute Hütte ging in den Besitz des italienischen Verteidigungsministeriums mit Verwaltung durch die Sektion Mailand des Club Alpino Italiano (CAI) über.
Ein weiterer schwerer Einschnitt ereignete sich im Jahr 1947, als ein verheerender Brand den mittleren Gebäudekomplex vollständig zerstörte. Einzig das große Schlafhaus blieb unversehrt. Um den Betrieb aufrechtzuerhalten, wurde dessen Erdgeschoss in einen Speisesaal umgestaltet und eine neue Küche angebaut. In den 1990er Jahren folgten umfangreiche Modernisierungsmaßnahmen, bevor die Payerhütte schließlich 1999 an das Land Südtirol übertragen wurde. Trotz dieser Veränderungen blieb die Hütte ein wichtiger Ausgangspunkt für die Besteigung des Ortlers und ein Symbol für die bewegte Geschichte des Ortlergebiets.

Die Hüttenwirt/innen
s6 huettenwirteDie Geschichte der Payerhütte ist eng mit den Menschen verknüpft, die sie im Laufe der Zeit bewirtschaftet haben. Ihre unterschiedlichen Lebenswege, Erfahrungen und prägenden Momente spiegeln auch den Wandel des Hüttenlebens in den letzten 150 Jahren wider. In den ersten 33 Jahren der Bewirtschaftung der Payerhütte wechselten drei verschiedene Pächter. Doch seit 1920 – also bereits seit 105 Jahre – befindet sich die Hütte ununterbrochen in den Händen der Familie Ortler/Wöll, wodurch eine wahre Wirtsdynastie entstanden ist.
Über die beiden ersten Hüttenwirte ist nur wenig bekannt. Franz Angerer (1839 – 1906), der Besitzer des Gasthofs zum Ortler in Sulden (heute Hotel Post), führte die Payerhütte von 1887 bis 1893. Ab 1894 übernahm Alois Wallnöfer aus Prad die Bewirtschaftung der Payerhütte und führte sie für insgesamt zehn Jahre bis 1904.
Anna Rauth (1853-?) aus Meran war von 1905 bis 1914 Hüttenwirtin der Payerhütte und betrieb in den Wintermonaten eine Tabaktrafik in Meran/Untermais. An die sehr religiöse Anna erinnert heute noch ein von ihr gestiftetes Fenster in der Wallfahrtskirche Hl. Drei Brunnen in Trafoi.
Im Jahr 1920 übernahm Friedrich Ortler, der das Hotel Schöne Aussicht in Trafoi leitete, die Bewirtschaftung der Julius-Payer-Hütte. Ab 1930 führte seine Tochter Anna Ortler (1911 – 1981) die Payerhütte, tatkräftig unterstützt von ihren Geschwistern Adele (1907 – 1988) und Fritz (1909 – 1999). 1950 heiratete sie Georg Thöni (1918 – 1998), ebenfalls aus Trafoi. Aus dieser Ehe ging ihr einziger Sohn hervor: Gustav Thöni (* 1951), der in den 1970er Jahren als weltbekannter Skirennläufer Geschichte schrieb.
Im Jahr 1940 übertrug die CAI Sektion Mailand die Bewirtschaftung der Payerhütte an Johann Josef Ortler, dem Onkel von Anna, Adele und Fritz. Die ersten 10 Jahre wurde die Payerhütte von seinem zweitältesten Sohn, Hubert (1914 – 1986), geführt, der von seinen Geschwistern unterstützt wurde.
1951 übernahm schließlich der jüngere Bruder Willi (1922 – 1998) die Leitung der Hütte, die er 35 Jahre lang führte. 1956 lernte er auf der Payerhütte seine spätere Frau
Luise Gutgsell (1926 – 2016) kennen, eine Bergsteigerin aus Stilfs. Gemeinsam bestiegen sie spontan den Ortler – ein lang gehegter Wunsch von Luise. Sie war über 19 Jahre lang für die Küche der Hütte verantwortlich.
1987 übergab Willi Ortler die Leitung der Payerhütte an seine Tochter
Filomena (*1961) und ihren Mann Hermann Wöll (1946 – 2022). Sie sorgten mit den zahlreichen Renovierungen in den 1990iger Jahren dafür, dass die Julius-Payer-Hütte ihre Tradition bewahrte und gleichzeitig modernisiert wurde.
Seit 1996 unterstützte Bernhard Wöll (*1983) jeden Sommer seine Eltern Filomena Ortler und Hermann Wöll bei der Führung der Hütte. 2016, im Alter von 32 Jahren, übernahm er die Leitung der Payerhütte nunmehr in vierter Generation.

 

Die Julius-Payer-Hütte
150 Jahre alpine Gastfreundschaft am Ortler

150 Jahre Julius Payer Hütte Einladung Buchvorstellung Trafoi 06.06Dieses Buch (erschienen im Effekt! Verlag, Neumarkt) erzählt die 150-jährige Geschichte der Julius-Payer-Hütte – lebendig und facettenreich dokumentiert durch historische Fotografien, Originaldokumente, Zeitzeugenberichte und zeitgenössische Presseartikel. Ergänzt wird die Chronik durch Porträts der Hüttenwirtinnen und Hüttenwirte, die authentische Einblicke in das Leben und die Herausforderungen geben. Die Julius-Payer-Hütte ist eng mit der Familiengeschichte der Autorin Karin Ortler verbunden. Seit über einem Jahrhundert wird die Hütte von ihrer Familie bewirtschaftet; auch sie selbst verbrachte zahlreiche Sommer auf dem Schutzhaus, das heute ihr Neffe führt.
Dank der Unterstützung des Touriseums – Landesmuseum für Tourismus in Meran – konnte eine Begleitausstellung zur 150-jährigen Geschichte der Julius-Payer-Hütte realisiert werden. Die Ausstellung, die dauerhaft in der Hütte zu sehen sein wird, zeigt in über 20 eindrucksvollen Bildern die wichtigsten Meilensteine ihrer Geschichte.
Für alle Nicht-Bergsteiger besteht im Sommer 2025 die Möglichkeit, die Ausstellung im Besucherzentrum Naturatrafoi zu besichtigen.

BUCHVORSTELLUNG am 06. Juni 2025 um
20 Uhr im Besucherzentrum Naturatrafoi.
Ab sofort in jedem Buchhandel erhältlich.

 

Interview mit Bernhard Wöll, Hüttenwirt auf der Payerhütte


Vinschgerwind: Wann startet die Payerhütte in die heurig Saison? Und wie läuft dieser Start ab?
Bernhard WöllBernhard Wöll: Heuer öffnen wir am 14. Juni, vorausgesetzt natürlich das Wetter spielt mit. Am 10. Juni fliege ich, mit meiner Mutter und einigen Mitarbeitern mit den Lebensmitteln und Getränken für die ersten Wochen hinauf. Vier Tage lang wird die Hütte dann hergerichtet, z. B. das Wasser wieder eingelassen. Dann werden jedes Jahr Verbesserungsarbeiten gemacht. Ende Juni folgt der große Versorgungsflug mit den haltbaren Lebensmitteln.

Vinschgerwind: Sie sind seit 10 Jahren der Hüttenwirt auf der Payerhütte. Wie muss man sich einen ganz normalen Hüttenalltag vorstellen?
Bernhard Wöll (lacht): Der normale Hüttenalltag besteht aus Arbeit und Schlaf. Für jene, die auf den Ortler gehen, gibt es Frühstück ab 4 Uhr, das heißt wir stehen um halb 4 auf und richten das Frühstück her. Dann gehen wir nochmals schlafen bis ca. 7 Uhr, bereiten dann das Essen für die Tagesgäste her, bewirten diese und am Nachmittag bereiten wir bereits das Abendessen für die Gäste, die hier übernachten, her. Wenn wir voll belegt sind, dann sind das 70 Leute. Zwei Vorspeisen und zwei Hauptspeisen stehen zur Auswahl. Ab 22 Uhr ist dann Nachtruhe.

Vinschgerwind: Was sind die größten Herausforderungen?
Bernhard Wöll: Die Mitarbeiter sind eine Herausforderung. Es melden sich viele auch aus dem Ausland. Die meisten haben aber eine romantische Vorstellung vom Hüttenalltag. Eine weitere große Herausforderung ist die Wasserversorgung. Vor fünf Jahren hat dieses Problem begonnen, seit zwei Jahren ist es akut. Der Blockgletscher, von dem wir das Wasser heraufgepumpt haben, ist weggeschmolzen. Vor zwei Jahren kam Ende Juli kein Wasser mehr. Das ist wirklich ein großes Problem. Man muss auf der anderen Seite aber auch sagen, dass die Arbeit mit den Bergsteigern viel Spaß macht, weil sie einfach unkompliziert und zufrieden sind.

Vinschgerwind: Wieviele Gäste zählt die Payerhütte ca. in einer Saison?
Bernhard Wöll: Wir haben so ca. 2.000 – 2.500 Übernachtungsgäste pro Saison.

Vinschgerwind: Wie wird das 150-Jahr-Jubiläum gefeiert?
Bernhard Wöll: Einmal ist ein Buch zu 150 Jahre Payerhütte entstanden und im Buchhandel erhältlich. Zum anderen wird am 25. August eine Jubiläumsfeier auf der Payerhütte stattfinden mit einer hl. Messe, die von Bischof Ivo Muser zelebriert wird und mit weiteren Gästen.

Interview: Angelika Ploner

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