Vergessene Patrioten (Teil 4)

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Kolumne - Im letzten Beitrag hatten wir eigentlich angekündigt, dass wir eine Serie mit Porträts ausgewanderter Vinschger beginnen wollten. Doch dann haben sich zwei Patrioten dazwischengeschoben, deren Schicksal ich erzählen möchte. Jüngeren Landsleuten dürften deren Namen und das geschichtliche Umfeld eher unbekannt sein. Es sind dies Hans Egarter und Hans Pircher. Egarter wurde im Jahr 1909 in Niederdorf im Pustertal geboren, studierte im Vinzentinum in Brixen und war einer der führenden Köpfe der „Dableiber“, also jener Südtiroler, die sich bei den Optionen im Jahre 1939 für den Verbleib in der Heimat aussprachen. Deren Anführer Friedl Volgger wurde nach dem Einmarsch der Deutschen am 08. September 1943 verhaftet und ins Konzentrationslager Dachau eingeliefert. Danach übernahm Egarter die Obmannschaft im Andreas-Hofer-Bund, also jener noch von Volgger begründeten Vereinigung der Widerständler nicht nur gegen die italienischen Faschisten, sondern auch gegen die deutschen Nationalsozialisten. Während des Zweiten Weltkrieges knüpfte Egarter über die Schweiz Kontakte zum britischen Geheimdienst, von dem er Geld zur Betreuung der besonders im Passeiertal zahlreichen Deserteure der deutschen Wehrmacht erhielt. Gleich nach Kriegsende war Egarter einer der Mitbegründer der Südtiroler Volkspartei und Redakteur bei der Tageszeitung „Dolomiten“. In dieser Eigenschaft trat er energisch dafür ein, eine Bewältigung der Vergangenheit in dem Sinne vorzunehmen, dass die Südtiroler nicht nur Opfer, sondern auch Täter während der NS-Zeit gewesen waren. Doch auch sein im „Volksboten“ vom November 1945 veröffentlichter leidenschaftlicher Appell: „Gerechtigkeit den Opfern und Gericht den Kriegsverbrechern“ verhallte ohne große Wirkung. Denn in Südtirol verhielten sich die Leute ähnlich wie die Deutschen: Keiner wollt ein Nazi gewesen sein. Dazu kam noch der gerade von der neugegründeten Volkspartei ausgehende Aufruf zur ethnischen Geschlossenheit unter dem Motto „lai net rouglen“, der dem Wunsch der Menschen entgegenkam, die Vergangenheit ruhen zu lassen und sich dem Aufbau einer Existenz zu widmen. In der Folge geriet Egarter auch innerhalb der SVP immer mehr in Isolation und zur politischen Randfigur, was ihn 1949 zur Übersiedlung nach Brixen veranlasste, wo er 1966 starb.
Zu Egarters politischer Demontage trug auch ein Prozess bei, in den Männer seines Andreas-Hofer-Bundes verwickelt waren. Mitangeklagt in diesem Prozess war auch Hans Pircher (geb. 1924 in Laas/Allitz, gest. 2002). Wir berichteten über ihn in früheren Ausgaben (Vinschgerwind 26/2020; 2/2024). Er war desertiert, in die Schweiz geflüchtet und hatte sich vom britischen Gemheimdienst als Kurier von der Schweiz aus zu Hans Egarter in Meran anwerben lassen. Während seiner Anwesenheit in Südtirol und bis zum Kriegsende hielt er sich bei Deserteuren im Passeiertal auf, die mit Egarter in Verbindung standen. Der Prozess endete in der Berufung mit Gefängnis für drei von den 18 Angeklagten, die härteste (30 Jahre) traf Pircher.
Doch nun zurück zu Egarter. Er war mit seiner Forderung nach Aufarbeitung der braunen Vergangenheit und Entnazifizierung auch in Südtirol seiner Zeit voraus. Eigentlich hat sie bei uns nie richtig stattgefunden!
Doch ab nun wollen wir uns positiveren Dingen zuwenden, nämlich Biografien ausgewanderter Visnchger Landsleute! Für Hinweise der Leser bin ich dankbar. Richtet sie an meine Mail-Adresse.
Peter Tappeiner, Rechtsanwalt
info@rechtsanwalt-tappeiner.it

P.S.: Für den Beitrag verwendete Literatur: Hans Egarter - Eine Lebensskizze, Hans Heiss - Hubert Mock, 2009, Verlag Weger, Brixen

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