Dienstag, 05 März 2013 00:00

„Man darf nicht emotional an die Dinge herangehen“

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 s30_7124Interview: Angelika Ploner  |  Foto: Magdalena Dietl Sapelza

Vinschgerwind: Herr Geometer Stecher, Sie haben ein Projekt zur großen Umfahrung der Orte Schluderns, Glurns, Tartsch, Laatsch und Mals in Ihrer Schublade.
Werner Stecher: Das ist richtig, ich arbeite schon seit fast zehn Jahren an einer Lösung für den oberen Vinschgau. Ich lebe mit dem Verkehr und mit den Problemen, die mit ihm einhergehen. Ich würde es  als sinnvoll erachten, dass man eine Gesamtlösung sucht und dann  umsetzt, nicht kurzzeitige Lösungen, wie sie beispielsweise in Tartsch geplant werden. Ich nehme als Beispiel die MeBo her. Mein Gott, was war man gegen die MeBo. Heute ist sie nicht mehr wegzudenken. An die Umfahrung, um zu dieser zurückzukommen, müsste man weniger emotional und mehr mit dem Hausverstand herangehen.

 

Bei den Bürgermeistern findet Ihre, diese sogenannte Stecher-Variante, scheinbar kein Gehör.
Die Bürgermeister müssten von ihren Vorurteilen wegkommen, das Gesamte sehen, übers eigene Dorf hinausschauen. Es hilft nichts, wenn ich in Tartsch eine Unterführung für 25 bis 30 Millionen Euro baue. Mit diesem Geld wäre die Umfahrung, die Stecher-Variante, wie Sie sagen,  schon zur Hälfte finanziert. Und mit dieser Umfahrung ist nicht nur das Verkehrsproblem für ein Dorf gelöst, sondern auch für Mals, Laatsch, Tarsch, Glurns und Schluderns. Ich könnte endlich sogar die Schweiz anbinden. Man muss sich vorstellen: Wenn heute einer von Graun oder Mals mit einem Lastwagen nach Taufers will, dann muss er die ganze Runde über Spondinig-Agums fahren und zurück, denn in Laatsch und Glurns darf er nicht durchfahren.

Konkret: Wie sieht Ihr Vorschlag aus?
Mein Vorschlag sieht im Kreuzungsbereich zwischen Staatsstraße SS 40 Reschenpass und der Landesstraße nach Laatsch einen Kreisverkehr vor. Von dort wird ein Stück die Landesstraße genutzt, um dann am Bunker vorbei über die Wiesen bis hin zur Staatsstraße SS 41 Taufers im Münstertal zu gelangen, etwa 800 bis 900 Meter nach Glurns. Es muss allerdings ein Viadukt über die Etsch und den Rambach gebaut werden. Der Kreuzungsbereich soll wiederum mit einem Kreisverkehr ausgebaut werden. Von dort aus wäre die Gemeinde Taufers i. M. sowie die Schweiz in kurzer Zeit unproblematisch erreichbar. Dann folge ich der bestehenden Staatsstraße in Richtung Glurns, um etwa 200 Meter vor der Abzweigung nach Lichtenberg die Verbindung zur bestehenden Landesstraße LS 50 Prad-Glurns in offener Bauweise zu errichten, um das Städtchen Glurns nicht zu beeinträchtigen.
Die Landesstraße LS 50 Prad-Glurns wird dann bis zur Abzweigung nach Schluderns den Straßenbaurichtlinien angepasst und ausgebaut, wobei die notwendigen Grundflächen vorhanden sind. Hier soll wiederum ein Kreisverkehr entstehen, wie bereits im Verkehrsberuhigungskonzept entlang dieser Landesstraße vorgeschlagen. In Richtung Schluderns soll wiederum die bestehende Landesstraße ausgebaut und angepasst werden; um das Problem Saldurbach zu lösen, müsste eine etwa 70 - 80 Meter lange Unterführung gebaut werden. Weiter ginge es dann Richtung Auen bis hin zum „Plattele Eck“, wo ein Viadukt von der Staatsstraße über die „Vinschger Eisenbahn“ mit Auf- bzw. Abfahrt errichtet werden müsste. Damit wäre der Anschluss an die bestehende Staatsstraße SS 40 Reschenpass bei Kilometer zweieinhalb erreicht.
Eine günstigere und verkehrstechnisch bessere Lösung wäre, vom Kreisverkehr bei der Kreuzung Lichtenberg-Schluderns noch ein Stück über die Landesstraße nach Lichtenberg zu fahren, um dann über den bestehenden Verbindungsweg in Richtung Industriezone Prad bis hin zur Biogas-Anlage zu gelangen und dort wiederum auf die neue Landesstraße mit dem neu errichteten Viadukt über die Etsch und Eisenbahn aufzufahren.
Auf diese Weise würden die Dörfer Mals, Laatsch, Tartsch, Glurns, Schluderns sowie auch Agums und Prad entlastet; die alte Staatsstraße könnte teilweise zurückgebaut  und die Dorfdurchfahrten intern von den jeweiligen Gemeinden geregelt werden.
Warum sind die Prader gegen Ihren Vorschlag?
Weil sie emotional an die Sache herangehen.

s32_Umf_SS_40Wer von den Bürgermeistern im Tal kennt Ihren Vorschlag?
Alle haben von ihm gehört, jedoch nur der Schludernser Bürgermeister Erwin Wegmann kennt ihn auf dem Papier; alle anderen haben von vornherein jede Variante abgelehnt.
Jede Variante zum Knoflacher Konzept?
Ja genau.

Das Konzept stammt aus dem Jahre 2006 und will den Verkehr rigoros einbremsen. Ist es an der Zeit, das Konzept zu überdenken?
Das Konzept Knoflacher ist sicher nicht mehr zeitgemäß und müsste auf alle Fälle überdacht werden. Wir können den Vinschgau nicht verkehrstechnisch abwürgen. Die Entwicklung des Vinschgaus hängt maßgeblich von der Wirtschaft ab, die ist der Motor und schafft Arbeitsplätze. Auch deshalb sollten sich die Bürgermeister zusammenraufen. Wenn nicht, dann glaub ich, wäre die Zeit reif für eine Volksbefragung, eine, die man mit dem Kopf und nicht aus dem Bauch angeht.

Eine Kostenschätzung: Wieviel würde Ihre Variante kosten?
Das hat man noch nicht genau berechnet. Ich schätze so um die 35 bis 40 Millionen Euro. Zum Vergleich: allein die Umfahrung Tartsch kostet zwischen 25 und 30 Millionen Euro.  Aber man müsste schon jetzt die Weichen stellen. Es werden derzeit viele Grundstücke in der Umgebung, wo die Umfahrung geplant wäre, verkauft. Das Land oder die jeweiligen Gemeinden müssten diese bereits jetzt erwerben. Es bräuchte nicht allzu viel Grund.

Weil nichts passiert, basteln die Glurnser derzeit an einer kleinen Umfahrung.
Ich möchte keiner Gemeinde vorgreifen, aber ich sehe die Lösung, die Glurns derzeit andenkt, problematisch. Es müssten insgesamt drei Kreuzungsbereiche geschaffen werden, die auch die notwendigen Flächen brauchen. Zudem muss ein Viadukt über den Rambach errichtet werden. Ich kann mir vorstellen, dass dies nicht mit 1,5 bis 2 Millionen Euro finanzierbar ist. Dann sollte der Verkehr über Agums-Prad umgeleitet werden; somit entsteht dort zu viel Verkehr, und damit sind auch Proteste vorprogrammiert. Auch das ist keine längerfristige Lösung und immer noch keine Lösung für Schluderns, für Mals, für Tartsch und Laatsch.

Was wäre nun der erste Schritt, der gesetzt werden müsste?
Ich wünsche mir, dass sich die zuständigen Bürgermeister zusammensetzen, sich aussprechen und nach einer gemeinsamen, vernünftigen und machbaren Lösung suchen. Die Landesverwaltung würde dabei sicher behilflich sein, wird sie aber zu keiner Lösung zwingen. Natürlich sollte auch die Bezirksgemeinschaft Vinschgau mit einbezogen werden.
Meine Devise: nicht emotional die Lösung angehen, sondern gemeinsam und mit vereinten Kräften, dann kann man vieles erreichen.
Themenwechsel: Wie viel wird für Instandhaltungen im Vinschgau jährlich ausgegeben?
Das Land Südtirol verwaltet rund 2.700 Kilometer Straßen und ist in sechs Straßenbezirke unterteilt. Einer dieser Bezirke ist der geographische Vinschgau vom Reschenpass bis zur Töll und umfasst ca. 375 km Straßen, aufgeteilt in Staats-, Landes- und Gemeindestraßen. Das Geld für die Instandhaltung wird nach zugewiesenen Kilometern aufgeteilt. Mit dem zugewiesenen Budget, heuer sind es rund 1,35 Millionen Euro, müssen der gesamte Maschinenpark, Treibstoffe, Schneeräumung, Salz und Streuschotter, Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten an Steinschlagschutzbauten, Stahlschutzplanken sowie am Straßenzubehör usw. finanziert werden.

Die Straßenbaugelder des Landes sind für Jahre ver-plant und werden knapp. Studien, Lösungsvorschläge, Visionen: alles für die Katz?
Ich glaube, man kann nicht sagen, dass diese vollständig verplant seien, denn etwas ist immer wieder machbar, jedoch nicht im selben Ausmaß wie bisher.  Als Voraussetzung werden in Zukunft die Bereitschaft und der Wille gelten. Lösungen, wie von mir für den Vinschgau vorgeschlagen, könnten im Rahmen eines  Programmes, das auf zwei bis drei Jahre ausgelegt ist, durchgezogen werden. Ich glaube, dass es möglich ist, sobald eine gemeinsame Lösung gefunden ist; aber  dies hängt vorwiegend von den Bürgermeistern des Tales ab.  Es wäre wünschenswert, wenn eine neutrale Person ohne Wenn und Aber die betroffenen Herren an einen Tisch versammelt und mit ihnen die Problematik kritisch und fair bespricht und diskutiert, zum Wohle der verkehrsgeplagten Bevölkerung. Die Kreuzung auf der Staatsstraße bei Altspondinig mit der groß angelegten Brücke hin zur Industriezone Prad wurde vor Jahren vom Landesrat Alois Kofler sozusagen wegbereitend für eine künftige große Umfahrung und für eine mögliche, damals in Betracht gezogene, Umfahrung von Prad Richtung Schmelz über den Suldenbach zum Stilfserjoch gebaut.

INFO
Geometer Werner Stecher, Amtsdirektor des Straßendienstes West,
seit 1972 im Landesdienst
seit 1979 Amtsdirektor des Straßendienstes West/Vinschgau:
„Es sollen alle Vorurteile vermieden und realistische Lösungen angestrebt werden.“


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