Spezial: Taufers i. M. Dorf an der Schweizer Grenze

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Das Grenzdorf Taufers i. M. zählt 958 Einwohner. Die Gemeinde besteht aus dem Hauptort auf 1.250 Metern, den Weilern Rifair und Puntweil sowie den Höfen Tella. Im Hauptort befinden sich Gemeindeamt, Kindergarten, Schule, Arztambulatorium, ein Geschäft, Gast- und Handwerksbetriebe sowie eine Speditition- und Zollstation.

Text & Fotos: Magdalena Dietl Sapelza

Während die Menschen in Taufers i. M. einst fast ausschließlich von der Landwirtschaft und dem Ertrag ihrer klein strukturierten Fächen gelebt haben, finden sie heute vielfältige Arbeitsmöglichkeiten im öffentlichen Dienst, in den Dienstleistungs- und Handwerksbetrieben. Zu den renommiertesten Handwerksbetrieben in Taufers i. M. zählen zum Beispiel die Traditionsbetriebe Tischlerei Fliri Dielen, die Tischlerei Schgör, Elektro Malloth, die Spedition Mayr an der Grenze. Taufers i. M. ist ein lebendiger Ort mit einem regen Vereinsleben. Und die Gemeindeverwalter sind stets bemüht ideale Rahmenbedingungen zu schaffen, dass junge s42 taufers2Menschen den Schritt in die Selbständigkeit wagen und Unternehmen im Ort gründen können. Ein Hindernis für neue Initiativen stellt die Nähe zur Schweiz dar, die Arbeitskräfte mit höheren Löhnen anlockt. Auch der gegenüber dem Euro starke Schweizer Franken lässt die Lohntüten anschwellen. Die wiedergewählte Bürgermeisterin von Taufers i. M. Roselinde Gunsch Koch sieht das Ganze mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Einerseits profitieren die Menschen von ihrem Arbeitsplatz in der Schweiz. Andererseits wird es vor Ort immer schwieriger Arbeitskräfte zu finden. In diesem Zusammenhang spielt auch der demographische Wandel durch den Geburtenrückgang eine Rolle. Es stehen immer weniger junge Menschen bereit, die pensionierten Arbeitskräfte ersetzen. Das gilt nicht nur für die grenznahen Gemeinden im Vinschgau sondern ist ein allgemeines Problem. Landauf landein macht sich der Fachkräftemangel bemerkbar.

Schritte über die Grenze
Taufers hat durch die Nähe zur Schweiz viele Grenzpendler. Derzeit pendeln an die 130 Bewohner in die nahe Schweiz. Ein lukrativerer Arbeitgeber - und das nicht nur für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Taufers i. M. - ist beispielsweise die Firma LICO in Müstair, gegründet und geführt von den Brüdern Lingg aus Schluderns beziehungsweise Mals. Fast die gesamte Belegschaft besteht aus Grenzpendlerinnen und Grenzpendlern aus dem Vinschgau.
Die Schweiz zieht zwar Kräfte ab, bietet im Gegenzug Tauferer Betrieben auch gute Aufträge und gute Absatzmärkte. Dazu kommt, dass Bewohnerinnen und Bewohner aus dem Schweizer Münstertal gerne Einkaufsmöglichkeiten in Taufers und dem nahen Vinschgau nutzen. Sie sind auch regelmäßig in Restaurants und Pizzerias zu Gast. Taufers erhält, wie auch die anderen Grenzpendler Gemeinden, jährlich einen Steuerausgleich zugesprochen, das vom Staat Italien an die Bezirksgemeinschaft Vinschgau überwiesen und an die Grenzpendler Gemeinden weitergegeben wird. Das Geld fließt in Investitionen. Im Jahr 2022 konnten insgesamt 1.831.000 Euro an die Grenzpendlergemeinden verteilt werden. Das Geld wird für Infrastruktur- und Bauprojekte verwendet. Einem neuen Abkommen zwischen Italien und der Schweiz zufolge, könnte sich künftig allerdings einiges ändern.
An der Grenze befinden sich neben dem Speditionsgebäude der Fima Mayr Verwaltungsgebäude für die Grenz- und Finanzpolizei und für das Zollamt. Diese Einrichtungen dienen dem Grenz-und Warenverkehr zwischen Italien und der Schweiz, die gesetzlichen Bestimmungen unterliegen. Die Personenkontrollen werden recht rigoros gehandhabt. Doch es ist nicht zu übersehen, dass die Schweiz ein Nicht-EU-Land ist und Kontrollen jederzeit möglich sind.

Die Bewohnerinnen und Bewohner in Taufers i. M. und jene im gesamten Münstertal auf Schweizer Seite können die grenzüberschreitende und gut funktionierende Busverbindung über die Grenze nutzen. Die Linienbusse fahren im Stundentakt vom Bahnhof Mals aus bis nach Zernez und IMG 1348umgekehrt.
In die Schlagzeilen kommt die Gemeinde Taufers regelmäßig bei Wahlen als Schlusslicht bei der Wahlbeteiligung, obwohl die in Taufers wohnhaften Wählerinnen und Wähler fleißig an die Urne gehen. Das ist der Bürgermeisterin ein Dorn im Auge, und sie ist immer wieder bemüht, den Grund für die niedrige Wahlbeteiligung zu erklären: Taufers i. M. führt im Vergleich zu anderen Gemeinden eine lange A.I.R.E Liste. Das heißt, die Liste der im Ausland (größtenteils in der Schweiz) lebenden Wahlberechtigten ist sehr lang. Viele von denen haben den Bezug zum Ort verloren und verzichten auf eine Wahl.
Im A.I.R.E Register der Gemeinde Taufers i. M. scheinen 404 Personen auf. Das ist knapp die Hälfte der in Taufers ansässigen Bewohnerinnen und Bewohner, davon befinden sich 164 Frauen in Nicht-EU-Staaten und 39 in EU-Staaten. Bei den Männern sind es 159 Personen in Nicht-EU Staaten und 42 in EU-Staaten.

Geschichte des Ortes
Die Spuren des Ortes führen zum Anfang des 9. Jahrhunderts zurück. Im Reichenauer Verbrüderungsbuch findet sich der Vermerk „Nomina Fratrum de Monasterio qui vocatur Tuberis“. Tuberis“ nennt sich auch das ****S Hotel, einst „Gasthof Lamm“, in der Mitte des Ortes - wohl eine Hommage an die geschichtsträchtige Vergangenheit des Ortes. Auch die St. Johannkirche am Dorfeingang hat ihre Ursprünge im 9. Jahrhundert. Der Weiler Rifair (rätoromanisch Ravera) ist unterteilt in zwei Teile: Unterrifair (Rifair) und Oberrifair (Schlossoir). Der Weiler Puntweil liegt nahe der Staatsgrenze zur Schweiz. Tella ist eine Höfegruppe, die auf der Sonnenseite über dem Talboden liegt. Dazu zählen der Baustadelhof (1370 m), der Schlosshof (1509 m), der Bachhof (1558 m), der Gandhof (1671 m) und der Egghof (1723 m). Der Sommhof, (1802 m) und der Kasparethof (1534 m) sind durch Brände zerstört worden. Die Bevölkerung von Taufers i. M. stand jahrhundertelang unter dem Einfluss des Bistums Chur und war katholisch geprägt. Acht Kirchen/Kapellen unterstreichen das: St. Johann (9. Jh.), St Blasius Pfarrkirche des Ortes (12. Jh), St. Valentin Rifair (13. Jh), St. Rochus Puntweil (13. Jh. gestiftet nach der Pest Pandemie, St. Nikolaus (13. Jh. - oben rechts im Bild), St Martin (14. Jh.), St. Michael (14. Jh.), St. Antonius (18. Jh.). Einst gab es Geistliche genug, die in den Kirchen und Kapellen ihre Messen zelebrierten. Heute muss sich Taufers den Pfarrer mit Schluderns, Glurns und Matsch teilen. So ändern sich die Zeiten.
IMG 1341Am Hang an der Sonnenseite stehen die aus dem Mittelalter stammenden Burgruinen „Rotund“ und „Reichenberg“. Vom Turm „Helfmirgott“, der einstigen Ruine „Reichenstein“, sind nach dem Einsturz im 19. Jahrhundert nur noch Steine übriggeblieben. Derzeit treibt der Zustand der Ruine Rotund so manchem Betrachter Sorgenfalten ins Gesicht. Turm und Mauerreste scheinen recht unstabil.
Vor dem Verfall gerettet ist die Ruine Reichenberg, die den Architekten Werner Tscholl als Gönner gefunden hat. Er hat den Turm aufwändig restauriert.
Die St. Johann-Kirche in Taufers i. M. aus dem 9. Jahrhundert mit der zweigeschossigen Vorhalle zählt zu den ältesten Gebäuden des Münstertales. Die Kirche steht in enger Verbindung mit dem Kloster St. Johann in Müstair - heute UNESCO Weltkulturerbe. Der Grundriss der Kirche folgt der Form eines griechischen Kreuzes. Später wurde die Kirche Teil eines Johanniterhospizes, in dem Wanderer und Pilger übernachten und sich stärken konnten. Denn Taufers stellte einst einen wichtigen Wegknotenpunkt dar. Handelswege führten über das Scarl Joch, über den Umbrailpass und über den Ofenpass. Bekannt ist die St. Johann Kirche für ihre romanischen Fresken im Presbyterium. Die gut erhaltene Gewölbedecke zeigt in Streifen und Feldern heilige Äbte, Ritter und Fürsten. Im Mittelpunkt trohnt Christus zwischen Maria und Johannes. In den vier Zwickeln sind Kirchenlehrer abgebildet.
Eine weitere Besonderheit der Kirche St. Johann in Taufers i. M. ist das gut erhaltene Fresco des heiligen Christophorus an der nördlichen Außenseite. Diese Darstellung stammt aus der Zeit anfangs des 13. Jahrhunders. Es handelt sich um die älteste Christopherus Darstellung Tirols. Der Weg führte einst an diesem Bildnis vorbei.

Turnauna Natur- und Kulturdenkmal in Gefahr
Der Turnauna-Schuttkegel - vom Vinschgau kommend unmittelbar nach dem Calvenwald an der Sonnenseite - ist der letzte bisher noch fast unberührte Schuttkegel des Vinschgaus. Es ist eine jahrhundertelang gepflegte Kulturlandschaft. Mit seinen durch Trockenmauern, Steinhaufen, Hecken und unterschiedlichen Feldgehölzen eingehausten Feldern gibt Turnauna dem Tal eine ganz IMG 1377besondere Note. Die kleingegliederten Felder lassen erahnen, wie hart die Bäuerinnen und Bauern von einst ihr Brot erwirtschaftet haben. Viele Tierarten wie Käfer, Falter, Hummeln, Eidechsen, Neuntöter und Kleinsäuger finden dort einen idealen Lebensraum. Es wäre ein großer Verlust, wenn die Felder auf dem Turnauna Schuttkegel durch die moderne Landwirtschaft einförmig gemacht würden.Die Gesamtfläche des Gemeindegebietes auf italienischem Staatsgebiet beträgt 4.603 Hektar. Davon werden zurzeit zirka 350 Hektar intensiv als Äcker und Wiesen genutzt. Die Gemeinde Taufers besitzt rund 42,5  Hektar Wald und Weideland jenseits der Staatsgrenze in der angrenzenden Gemeinde Müstair in der Schweiz.

 

 

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