Auf Rädern daheim

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Auf und davon, das Wichtigste dabei im rollenden Zuhause: Kastenwagen, Wohnmobil oder Wohnwagen machen es möglich. Was reizt an dieser
abenteuerlichen Urlaubsform, wie fühlt sich die unbändige Reiselust an und wie entspannend ist das Camperleben? Der Sommerwind hat
sich auf Vinschger Campingplätzen umgehört.

von Maria Raffeiner

 

s32 haeggSeit einigen Wochen sind Bo und Eva Hägg aus Furulund in Schweden unterwegs. Mit Zwischenstationen in Deutschland haben sie ihr Wohnmobil nun im Campingplatz von Latsch geparkt, danach wollen sie an den Gardasee. Der Vinschgau hat es ihnen besonders angetan: „Wir sind pensioniert und kommen mindestens einmal jährlich hier her. Das ist einer unserer Lieblingsplätze.“ Was genau die beiden aus Südschweden nach Latsch zieht? Sie sind verwundert über die Frage. Bo dreht sich im Kreis und zeigt auf die sattgrünen Wiesen und Wälder des Nörderbergs. „Es ist wunderschön hier, schauen Sie sich mal um! Das Wetter ist perfekt, die Menschen empfangen uns höflich und professionell. Wir fühlen uns hier willkommen, deshalb sind wir seit 2005 schon mehr als zehnmal hier gewesen.“ Am liebsten fahren sie mit dem Fahrrad durch die Apfelanlagen, weshalb die Radwege ein weiterer Grund für ihren Aufenthalt sind. Die VinschgauCard ermöglicht ihnen kostenlosen und unbegrenzten Zugang zu den öffentlichen Verkehrsmitteln, die sie häufig nutzen. Lange vorausplanen möchten sie nicht, denn das Verlockende am Camperleben sei die Spontaneität. „Wir wachen morgens auf und überlegen uns, was wir machen könnten. Fahren wir weiter? Bleiben wir hier? Schauen wir noch am Meer vorbei?“ Für neun Tage werden sie definitiv bleiben, denn die Atmosphäre rund um Latsch wollen sie voll auskosten.
Eva und Bo Hägg, Furulund

 

s32 baderZwei Mal jährlich schauen Josef Bader und seine Frau im Camping Badlerhof in Laas vorbei. Auch heuer hat sie die „Eröffnungsfahrt“ dorthin geführt, das „Schmuckstück von einem Camping“, wie Josef findet, liegt nur 200 Kilometer von ihrem Wohnort im Allgäu entfernt. Seit elf Jahren lieben sie das Camperleben, es ist für sie der Inbegriff von Urlaub. Wie sich dieser anfühlt, erlebt auch Benedikt Rösch. Sein VW-Bus steht gegenüber von Josefs Wohnmobil. Vor diesem sitzen sie in den Campingstühlen und unterhalten sich. Zum Abendessen wollen sie mit ihren Gattinnen ins Gasthaus Krone. Selbstversorger waren sie nur in Norwegen. „Der Camper lässt Geld liegen“, sind sie sich sicher. „Wir gehen essen und kaufen hier ein, das ist ja das Tolle dran!“ An Laas mögen sie die Ruhe und dass es keine Animation gibt, wissen sie zu besonders zu schätzen. Sie haben am Meer schon Gegenteiliges erlebt, lieber haben sie es beschaulich. Knappe drei Fahrstunden trennen sie vom Marmordorf. „Die große Freiheit ist vorbei“, meint Josef, „ohne Reservierung starten wir nicht mehr los, dafür sind einfach zu viele auf der Straße. Aber flexibler sind wir, es ist kaum ein Blick auf die Uhr notwendig und vom Wetter lassen wir uns auch nicht stressen. Campen ist eine individuelle Form zu reisen, genau richtig für uns.“
Josef Bader und Benedikt Rösch, Oberstdorf

 

s32 wildeDas Campen kennen Gerrit und Anja De Wilde von Klein auf. Mit ihrem Zeltwagen, der 60 Jahre alt und Marke Eigenbau ist, kommen sie jedes Jahr in den Camping Sägemühle nach Prad. Anja will gerade den Fahrradkorb anbringen und losradeln, um Brötchen zu holen. Doch dann nimmt sie sich Zeit für ein Gespräch. Im Mai ist Prad ein Fixtermin, im August zieht es sie nach Kärnten. Gerrit de Wilde unterbricht sein Kreuzworträtsel und kommt aus dem Zelt. Auf dem Gaskocher dampft es in einem Stieltopf. Die beiden lieben die Vinschger Berge, die sie hier umgeben. Vom Stellplatz aus sehen sie den Kirchturm von St. Johann. Seit den 80er Jahren sind sie hier treue Stammgäste, sie haben den Campingplatz und das Dorf wachsen und sich entwickeln sehen. Da die Anhängerkupplung bei ihrem Auto bereits vom Zeltanhänger besetzt ist, können sie keine Fahrräder transportieren, daher haben sie sich im Dorf Leihräder besorgt. Für die ihnen schon bekannte Strecke am Vinschger Radweg. Doch in den nächsten Tagen wollen sie die Via Claudia Augusta noch weiter südwärts radeln: Sie brechen mit ihren Rädern zum Gardasee auf. Nach der Tour kehren sie zu ihrem Zeltanhänger zurück. „Wir haben wenig Wünsche“, Gerrit zeigt mit einer ausladenden Armbewegung um sich, „Sauberkeit, WLAN, kein Rummel, keine Musik. Einfach herrlich.“ In der Natur kommen die beiden zur Ruhe. Das Alltägliche erfreut sie, die Geräusche des Rasenmähers oder das Holzhacken nebenan. „Das ist doch völlig normal“, wie zuhause eben. Außen am Zelt baumelt ein Thermometer, innen hängt neben Kleiderhaken ein kleiner Spiegel. Wenn der Sommerwind erscheint, sind sie schon in die Region Twente (NL) zurückgekehrt. „Kein Problem, bis dahin ist mein Bruder da, bringen Sie ihm eine Zeitung vorbei?“
Anja und Gerrit De Wilde, Twente

 

s34 schmoekerGerade erst angekommen ist Familie Schmöker aus Stuttgart. Prad werden sie noch erkunden, den Campingplatz haben sie sich schon genau angesehen. Für die beiden Söhne von Nicole und Karsten Schmöker liegen die Vorteile eines Campingplatzes auf der Hand. Beim Herumtollen auf dem Spiel- und Bolzplatz lernen sie rasch andere Kinder kennen und knüpfen Kontakte. Mit dem Fahrrad kann Paul über den Campingplatz düsen, Mats ist noch zu klein dafür und schläft seelenruhig unter einem Baum im Kinderwagen. „Wir sind viel draußen an der frischen Luft, das tut uns allen gut.“ Die Parzelle, auf der ihr Wohnwagen steht, bietet Platz für ein großes Vorzelt. Es spendet Schatten, ist aber auch bei Regen oder Wind ziemlich gemütlich. „Wir haben wegen der Kinder viel dabei“, lacht Frau Schmöker. Paul zählt auf, was er und Mats so alles brauchen. Karsten Schmöker hatte schon länger den Traum vom eigenen Wohnwagen, zur Probe hat er vor einigen Jahren einen ausgeliehen und seine Frau dafür gewinnen können. Seit 2019 gehören sie nun zur Campercommunity. In Prad überzeugt sie die Größe des Stellplatzes, der in grüne, lauschige Umgebung eingebettet ist. Auf Komfort und Sauberkeit legen sie Wert. Spüren Sie Erholung im Campingurlaub? „Oh ja. Wir können einfach tun und lassen, was wir wollen.“ Und mit Blick auf den schlafenden Mats: „Nach unserem Rhythmus zu leben, das genießen wir.“
Familie Schmöker, Stuttgart

 

s34 kleinElke Klein ist in ein Buch vertieft, während sie vor dem Wohnmobil sitzt. Sie hat 60 Jahre Campingerfahrung, da sie bereits mit ihren Eltern von Betzdorf aus mit dem Wohnwagen verreist ist. Seit zwei Jahren ist sie zusammen mit ihrem Mann mit einem Wohnmobil unterwegs. Frau Klein kennt Italien, Kroatien, Österreich und war schon in mehreren Südtiroler Ecken. In Laas ist sie zum 3. Mal, die Campingplätze in Algund, Naturns und Goldrain haben ihr genauso gefallen. „Es ist lieblicher im Vinschgau“, begründet sie die Wahl. Sie liebt es zu wandern oder mit dem Rad die Gegend rund um Laas zu erkunden. Kommt sie zum Wohnmobil zurück, fühlt sie sich zuhause. „Zu bestimmen, wie man leben will“, sagt sie nachdenklich und mit Blick auf den Campingteppich unter ihren Füßen, „das ist es.“ Es stört sie nicht, dass das Wohnmobil fix stehen bleibt. „Wir nehmen gerne den Zug und kommen überall hin, wo wir möchten.“ Womit punktet ein Campingplatz? Frau Klein überlegt nicht lange: „Gute, saubere Sanitäranlagen sind mir wichtig – und die freundliche Art der Menschen. Ein Platz mit Flair ist schön, mit Bäumen und viel Grün.“ Ihr Wohnmobil bietet auf engstem Raum den gewünschten Komfort, sie fühlt sich rundum wohl: „Ich mag den Tagesablauf beim Campen, er hält mich in Bewegung. Außerdem kommen Campinggäste gerne mal ungezwungen miteinander ins Gespräch. Es herrscht Betrieb, es sind Leute um uns herum, und doch haben wir persönlichen Raum. Das ist schön.“
Elke Klein, Betzdorf

 

s34 wundererAbschied und Wiedersehen erlebt Karin Wunderer im Camping Sägemühle in Prad seit vielen Jahrzehnten. Ihr Schwiegervater hatte 1974 damit begonnen, die ersten Zeltreisenden in die Streuobstwiese einzuquartieren. Ein kleines Schwimmbad kam dazu, im Laufe der Jahre wuchs der Campingplatz des Müllers zum Qualitätscamping seiner Nachkommen an und geht nun in die dritte Generation. Frau Wunderer scheint die gute Seele des Platzes zu sein, zu dem auch Ferienwohnungen und Holz-Bungalows gehören. Sie hat nicht nur den Überblick über die Buchungen und Einteilung der Stellplätze, sie bäckt auch noch täglich den Mürbteig-Apfelstrudel fürs Café. Am Campingplatz spürt sie Verbundenheit und Gemeinschaft zwischen den Gästen. Das unabhängige und doch heimelige Leben „mit dem eigenen Bett im Gepäck“ kennt Frau Wunderer aus eigener Erfahrung. So kann sie Bedürfnisse schneller erkennen und kompetent beraten. Für Kundenwünsche hat sie stets ein offenes Ohr, generell spricht sie gern mit den Gästen und hört ihnen zu. „Das gibt es nur in unseren Familienbetrieben. Aus der Familie in die Familie kommen, sich Aufmerksamkeit schenken, Entwicklungen hören. Jene, die vor Jahren als kleine Kinder Urlaubsfreundschaften gefunden haben, kommen nun mit ihren eigenen Kindern zu uns.“ Für die Gäste hält sie Wandertipps und Ausflugsziele bereit, all das gehört zur einladenden Atmosphäre dazu, die Familie Wunderer mit langjährigen Mitarbeiter:innen schafft.
Karin Wunderer, Camping Sägemühle und Camping Kiefernhain, Prad am Stj.

 

Interview mit Thomas Rinner,
Camping Latsch an der Etsch und Präsident der Vereinigung
der Campingplatzbetreiber Südtirols (VCS)

s32 Thomas RinnerVINSCHGERWIND: Die Campinglust scheint groß zu sein. Hält der Aufschwung der Campingbranche weiterhin an?
Thomas Rinner (Bild): Bereits in den letzten 10 Jahren war die Branche im Aufwind. Während der Pandemie haben sich einige Kunden aus Sicherheitsgründen diese Urlaubsform überlegt, was zu einem kurzfristigen Boom geführt hat. Das hängt auch mit dem zwangsläufig engeren Reisefeld dieser Zeit zusammen. Große Hersteller von Reisemobilen und Wohnwägen haben heuer die Produktion wieder zurückgefahren. Die Nachfrage ist gesunken. Was noch ausständig ist und sich aufgrund von Zulieferschwierigkeiten verzögert hat, wird noch ausgeliefert. Aber die Zuwächse halten sich in Grenzen, der Markt ist gesättigt.

VINSCHGERWIND: Wie lässt sich die Nachfrage der vergangenen Jahre in Zahlen ausdrücken?
Thomas Rinner: 2019 haben wir in Südtirol 1,8 Millionen Campingplatznächtigungen verzeichnet. 2022 wurden die 2 Millionen dann knapp überschritten.

VINSCHGERWIND: Gibt es im Westen von Südtirol (Vinschgau und Meraner Land) ausreichend Campingplätze?
Thomas Rinner: Die beiden Ferienregionen stellen zusammen mit über 20 Familienbetrieben mehr als die Hälfte der Campingplätze in unserem Land.

VINSCHGERWIND: Wie orientiert sich der Campinggast am besten, um das passende Ferienangebot für sich zu finden?
Thomas Rinner: Dafür haben wir als Werbegemeinschaft VCS einen gemeinsamen Webauftritt geschaffen. Die Webseite lautet www.campingsuedtirol.com – sie funktioniert auch als App auf dem Smartphone. Es stehen Informationen über Campingunterkünfte zur Verfügung, die für den gewünschten Zeitraum auch direkt gebucht werden können. Freie Plätze scheinen in Echtzeit auf. Die weitere Reiseplanung wird von einer Karte unterstützt. Zudem warten viele Tipps zur Gestaltung des Aufenthalts, die Plattform bietet somit eine Runduminformation. Wer lieber im Campingführer blättert, erhält ihn als mehrsprachiges Magazin in Papierform.

VINSCHGERWIND: Was macht für Sie einen einladenden Campingplatz aus?
Thomas Rinner: In erster Linie die Destination: Wo befindet er sich? Weiters ist der Campingplatzbetreiber mit seiner Freundlichkeit ausschlaggebend. Einladend ist ein Platz mit ausreichend Fläche und hygienischen und großzügigen sanitären Anlagen. Er achtet auf die Campingbedürfnisse, auch im Angebot der Freizeitgestaltung.

VINSCHGERWIND: Wie stehen Sie zum kursierenden Wildcampen?
Thomas Rinner: Ich kann die Sehnsucht nach dem besonderen Urlaubserlebnis verstehen. Wer wünscht sich nicht, ein schönes Plätzchen in absoluter Ruhe zu finden? Aber: In den Städten geht das doch auch nicht, ich kann mich nicht überall hinstellen, wo ich möchte. Die Gesetzeslage ist eindeutig und Campieren außerhalb der dafür vorgesehenen Strukturen ist verboten. Wir fordern als VCS vehement strengere Kontrollen. Ein qualitativ hochwertiger Campingtourismus, und diesen bieten wir vom Ein-Stern- bis zum Fünf-Stern-Betrieb, stellt sich strikt gegen das Wildcampen. Es schadet dem Image des Campinggastes und belastet die Bevölkerung: keine Kurtaxe, keine Steuern, wohin laufen die Abwässer usw. Der Gast kann auch auf Wohnmobilstellplätze zurückgreifen, dort oder auf dem Campingplatz hat das Campen stattzufinden und nur in diesem Rahmen ist es legal. Man darf zudem nicht vergessen, dass Campingplätze das Bruttosozialprodukt einer Gemeinde steigern. Unsere Gäste gehen ins Dorf, konsumieren in der Bar, beim Metzger, beim Bäcker, in den Geschäften. Campinggäste zeigen grundsätzlich große Wertschätzung für das Angebot in unseren Dörfern.

VINSCHGERWIND: Verreisen Sie als Camping-Tourist?
Thomas Rinner: Ich bin mit 14 Jahren in diese Branche reingerutscht und erlebe sie seit 50 Jahren. Begonnen habe ich mit dem Zelt, war mit dem Wohnwagen unterwegs und jetzt verreise ich mit dem Wohnmobil. Ja, ich genieße das Campingleben.

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