Volksschule in Kastelbell, dann ins Elisabethinum, dann ins Antonianum nach Bozen, dann nach Seefeld in die landwirtschaftliche Schule dort, später in die BOKU nach Wien - der Ausbildungsweg von Burkhard Pohl ist kompliziert und lang. Ebenso sein Wirken als Ingenieur, als Seilbahner und zuletzt als Marmorbruchbetreiber. Ein Rückblick, eine Gegenwartsbewertung eines Tausendsassas, der auch einmal Regionalmeister im Zehnkampf war.
Vinschgerwind: Glückwunsch und alles Gute: Sie werden am heutigen Erscheinungstag des Vinschgerwind (7. August) 90. Was ist Ihr Geheimnis?
Burkhard Pohl: Das fragen mich viele, wie man 90 wird auf voller geistiger Höhe. Es dürften tatsächlich wenige sein, die 90 werden und noch voll einen Betrieb leiten. Ich mache einige Gründe dafür aus. Der wichtigste Grund ist, dass ich von meinen Eltern gute Gene fürs Älterwerden erhalten habe. Mein Vater Michl Pohl ist über 90 geworden, meine Mutter über 95. Der Dr. Huber hat als Vorreiter herausgefunden, dass Genänderungen auch durch Epigenetik, das heißt durch das eigene Gestalten des Lebens, geändert und optimiert werden können. Das wurde erst vor Kurzem nachgewiesen. Das wird bei mir wohl auch so sein. Ich sage, alt wird man, wenn man erstens zufrieden ist, zweitens gesund lebt und drittens immer ein Ziel vor Augen hat und somit beschäftigt ist. Das ist meine Philosophie.
Vinschgerwind: Landwirt, Ingenieur, Familienvater, Zehnkämpfer, Bruchbetreiber, Seilbahner... Mit welchem Bereich verknüpfen Sie Ihre wertvollsten Erinnerungen?
Burkhard Pohl: Die wertvollsten Erinnerungen verbinde ich mit der Landwirtschaft. Ich bin ja auch perito agrario. Wenn ich von der Schule heimgekommen bin, hat mich das Wachstum auf den Feldern, das Abreifen der Früchte und der Gemüsearten fasziniert und mir ein gutes Gefühl gegeben. Das hat mir gefallen. Ich bin im Geiste immer noch Landwirt. Mit dem Gemüse, das ich nebenbei angebaut habe und anbaue, ernähre ich die ganze Familie. Auf dem Tschiggelehof, der ein geschlossener Hof ist und den mein Sohn Peter übernommen hat, stellen wir auch Wein, Spargel und Äpfel her. Ich war ein Vorreiter im Bioanbau. Wir haben von den Eigenprodukten immer gesund gelebt. Meine Mutter hatte immer auch Angst vor dem Krieg. Sie hat alles wiederverwendet und beim Einkauf auf gesunde Lebensmittel geachtet. Aus diesen Erfahrungen bin ich in den Bioanbau eingestiegen. Ich bin etwa draufgekommen, dass die Milbe, die „rote Spinne“, aufgrund eines bestimmten Spritzmittels vermehrt worden ist. Weil ich dieses Spriztmittel deshalb nicht verwendet habe, hatte ich kein Milbenproblem.
Vinschgerwind: Sie waren auch einer der ersten, der Pflanzenschutzmittel über die Beregner ausgebracht hat...
Burkhard Pohl: Der erste war ich nicht gerade, aber Vorreiter schon. Die Leute haben damals gesagt, der könne sich alles leisten.
Vinschgerwind: Waren Sie der erste beim Spargelanbau?
Burkhard Pohl: Das war meine Mutter. Eine Reihe im Acker war Spargeln vorbehalten, grüne und weiße. Das hat mich fasziniert, denn ich wollte als Kind immer Erfinder und zwar „Erfinder der Natur“ werden. Das hat mich später zur Bodenheizung für Spargel gebracht. Ich hab’ da Rohre im Wurzelbereich der Spargel eingezogen und mit Warmwasser über eine Gasheizung und über Sonnenkollektoren beschickt. Der Grund war, dass die ersten Spargel immer teurer im Verkauf und nicht so leicht zu bekommen waren. Die Kastelbeller Schlossspargel haben jedenfalls einen guten Ruf.
Vinschgerwind: Sie waren nicht nur Erfinder und Vorreiter, Sie waren immer auch geschäftstüchtig?
Burkhard Pohl: Das möchte ich so nicht sagen, aber wahrscheinlich schon.
Vinschgerwind: Aktuell sind Sie als Bruchbetreiber, als Chef der Göflaner Marmor GmbH, tätig. Wie läuft das Geschäft?
Burkhard Pohl: Gut. Fertig
Vinschgerwind: Haben Sie den Marmor-Betrieb schon übergeben?
Burkhard Pohl: Den Marmorbetrieb hab ich schon übergeben. Alle vier Kinder haben als Gesellschafter in etwa die gleichen Anteile, der Peter hat ein bisschen mehr. Ich bin von den Kindern als Alleinverwalter beauftragt. Das hab ich schon so eingefädelt. Ich habe dafür allerdings auch die ganze Verantwortung zu tragen. Ein Hauptgrund waren auch die brenzligen Situationen in den Prozessen. Sollte etwas schiefgehen, dann hafte ich. Aber ich hab gesagt, einen 80-Jährigen kann man nicht mehr einsperren. Einen 90-Jährigen schon gar nicht (lacht).
Vinschgerwind: Ihr Beschützerinstinkt gegenüber der eigenen Familie?
Burkhard Pohl: So kann man es sagen. Richtig.
Vinschgerwind: Heuer im Spätherbst soll der Marmor mit einem Elektro-LKW vom Wantlbruch nach Schlanders transportiert werden. Ihre Idee?
Burkhard Pohl: Nicht meine, sondern unsere. Der Peter, die Fraktion Göflan und ich selber. Wir waren dazu fast gezwungen. Der Nationalpark Stilfserjoch verlangt, dass wir den Marmor umweltfreundlich ins Tal transportieren. Wasserstoff war mal im Gespräch, das war ein Blödsinn. Nun kommt ein elektrisch angetriebener LKW. Der kann mit dem großen Gewicht der Marmorblöcke rekuperieren, also beim Bremsen die Elektrobatterie aufladen. Durch das Gewicht von 30 Tonnen hinunterwärts soll sogar mehr Strom gespeichert werden, als die Fahrt hinauf benötigt. Mit dem Elektrotransport erhalten wir endlich eine echte Transportgenehmigung, nicht nur eine von Jahr zu Jahr zu verlängernde provisorische. Wir sind in der Vergangenheit des Öfteren schon ohne Genehmigung gefahren und dafür haben wir Strafen erhalten. Da hab ich wild protestiert und weil sie mich nicht einsperren konnten, haben sie die LKW weiterfahren lassen.
Vinschgerwind: Wie oft fahren Sie in der Woche in den Wantl-Bruch hinauf?
Burkhard Pohl: Vier Mal die Woche. Selber mit dem Auto. Obwohl meine Frau seit kurzem Angst hat, dass ich drüberhinausfahre.
Vinschgerwind: Gehen wir vom aktuellen Marmorabbau in das Land Ihrer Visionen, von denen einige nicht verwirklicht worden sind...
Burkhard Pohl: ...ich weiß schon, wo Sie hinauswollen. Mit Langtaufers...
Vinschgerwind: Gut, dann fangen wir mit Langtaufers an. Eine Liftverbindung von Langtaufers mit dem Kaunertal, mit einem E-Werk als Energielieferant?
Burkhard Pohl: Das war so: Das Kaunertal selbst hat eine miserable Zufahrt und damals keinen eigenen Strom. Die Lifte wurden mittels Dieselaggregate betrieben. Zudem haben die Langtauferer schon lange eine Verbindung mit dem Kaunertal im Visier gehabt. Ich wurde von den Langtauferern um Hilfe gebeten, nachdem ich Schnals verlassen hatte...
Vinschgerwind: Zu Schnals kommen wir noch...
Burkhard Pohl: In einer Volksabstimmung haben sich 70% der Langtauferer Bevölkerung für einen Zusammenschluss mit dem Kaunertal ausgesprochen. Daraufhin bin ich voll eingestiegen und ich hab dann ein Gesamtkonzept erarbeitet. Der berühmte Bergsteiger Reinhard Patscheider war voll auf meiner Seite. Patscheider war Präsident der damaligen Aktiengesellschaft, im Aufsichtsrat waren Langtauferer und auch der Stricker Erwin. Eines war die Verbindung über ein Langtauferer Skigebiet mit dem Kaunertal. Das heutige Konzept - eine alleinige Verbindung mit dem Kaunertal, würde aus meiner Sicht nur Verkehr anlocken, sonst gar nichts. Dann war in Langtaufers ein E-Werk als Pumpspeicherkraftwerk geplant - ideal und produktiv. Das zweite war eine Genossenschaft mit den Langtauferer Bauern mit einem Verkaufspunkt bei der Talstation der Gletscherbahn. Ebenso war ein verkehrsfreies Langtaufers geplant, mit Auffüllparkplätzen bei Graun und Shuttlebussen ins Tal. Es wäre ein gutes Konzept, eine runde Geschichte gewesen. Der Tod von Reinhard Patscheider hat leider die Vorzeichen verändert. Die Bevölkerung hat sich abgewendet.
Vinschgerwind: Greifen wir die Idee eines Pumpspeicherwerkes nochmals auf. Ein Pumpspeicherwerk im Schlandrauntal war mal angedacht?
Burkhard Pohl: Das Pumpspeicherwerk in Schlandraun ist auch in Zusammenhang mit einem Frostberegnungskonzept zu sehen. Schlandraun wäre einer von 10 von mir vorgeschlagenen Speichern gewesen. Ich bin nach wie vor von der Sinnhaftigkeit eines Pumpspeicherwerkes überzeugt. Die Gemeinde Schlanders unter BM Johann Wallnöfer und Generalsekretär Günther Bernhart hat damals eine Expertenkommission, in der unter anderem Florin Florineth, die Wildbach, das Amt für Limnologie mit Adami und das Ingenieurbüro Pohl, mit einer Machbarkeitsstudie beauftragt. In Schlandraun war ein Speicher mit etwas weniger als 100.000 Kubikmeter geplant, Florinth hat sich um die ökologischen Belange gekümmert, im Land wurde das Projekt gelobt. Geplant war, das Wasser in der Nacht mit billigem Strom hinaufzupumpen, untertags Strom zu erzeugen und auch die Bewässerung zu gewährleisten. Die von uns damals geplanten E-Werks-Stufen sind vom Ingenieurbüro Patscheider und Partner gerade verwirklicht worden.
Vinschgerwind: Bevor Sie nach Langtaufers gegangen sind, waren Sie jahrelang in Schnals tätig. Welche Erinnerungen gehen mit 50 Jahre Schnalstaler Gletscherbahn einher?
Burkhard Pohl: In Schnals hab ich ein E-Werk mit drei Fassungen geplant und gebaut, die super ineinandergegriffen haben. Die Konzession dafür haben wir mit Mayr und Durnwalder erhalten und im Gegenzug musste ich auf jenes mitgeplante E-Werk kurz vor dem Stausee verzichten. Die Lifte konnten mit dem E-Werk elektrifiziert werden und bei Bedarf, wenn die Etschwerke irgendwelche Arbeiten zu machen hatten, konnte sogar ganz Schnals versorgt werden. Geplant hab ich noch vieles mehr.
Vinschgerwind: Aus heutiger Sicht: Mit welchen Gefühlen blicken Sie ins Schnalstal?
Burkhard Pohl: Da muss ich sagen, mit sehr zwiespältigen Gefühlen. Ich habe mich in Schnals nie recht wohlgefühlt. Aus zwei Gründen: Einmal war die Bevölkerung nicht auf meiner Seite. In Göflan ist dies heute genau umgekehrt. Das zweite war, weil ich umwelttechnisch immer auf Messers Schneide unterwegs war. Zu meiner Zeit ist der Gletscher um 20 Meter zurückgegangen. Die Bergstation wurde lange Zeit mit Diesel-
aggregaten bedient. Die Gletscher sind teilweise schwarz geworden. Aber ja, in Schnals hab ich die erste Fernwärmeleitung vom E-Werk bis in die drei großen Hotels geleitet. In Grawand haben wir Blockheizkraftwerke installiert, so dass mit dem Strom die Maschinen und mit der Abwärme die Heizung betrieben werden konnte. Mit den Blockheizkraftwerken konnten wir die Energiekosten um 30 % senken.
Vinschgerwind: Sie sagen, die Schnalser sind nicht ganz mit Ihnen mitgegangen...
Burkhard Pohl: Ich hab’ mich tatsächlich nie recht wohlgefühlt. Ich bin als Fremder angesehen worden.
Vinschgerwind: Waren Sie und Ihr Bruder Dietmar die „Fremmen“ in Schnals?
Burkhard Pohl: Sicher. Aber dem Dietmar hat es weniger ausgemacht als mir. Mir hat das übel getan. Ich hab immer die Wirtschaftlichkeit der Gletscherbahnen im Vordergrung gesehen und das hat nicht immer mit der Natur harmoniert. Wenn ich so überlege, war ich doch ein umweltbewusster Techniker.
Vinschgerwind: Sie sind nicht ganz freiwillig aus Schnals gegangen...
Burkhard Pohl: Ich war selber schuld. Ich habe es draufankommen lassen. Ich war 15 Jahre lang Präsident der Schnalstaler Gletscherbahnen. Im Glauben, die Mehrheit der Aktien hinter mir zu haben, bin ich in die Vollversammlung gegangen. Ich wollte den Verwaltungsrat verjüngen. Mein Bruder Dietmar ist dann auf die andere Seite gegangen und der Verwaltungsrat stand hinter ihm. Es kam zum Streit, weil wir zwei unterschiedliche Projekte für den Ausbau der Grawand gehabt haben. Die Aufgabenteilung war so, dass ich die technischen Bereiche bei den Gletscherbahnen hatte und Dietmar die finanziellen. Ich habe eine Entscheidung über die Grawandprojekte herausgefordert, im Glauben, die Abstimmung gewinnen zu können. Die Gemeinde mit dem Macher von Schnals und höchst fähigen Michl Grüner ist umgeschwenkt und dann hab ich die Abstimmung verloren und war weg vom Fenster.
Vinschgerwind: Ein bitterer Abgang?
Burkhard Pohl: Ein sehr bitterer Abgang. Das hab’ ich nicht erwartet. Aber, das muss ich auch sagen, herwärts bin ich nicht gegangen.
Vinschgerwind: Pflegen Sie noch gute Beziehungen ins Schnals hinein?
Burkhard Pohl: Nein. Mit der Frau von Leo Gurschler, mit der Giuliana, hab ich gute Beziehungen. Leo Gurschler war ein charismatischer und höchst überzeugender Bursche. Die Banken haben ihm alles Geld der Welt geliehen, deshalb kam es auch zu dem unsäglichen Konkurs.
Vinschgerwind: Ein ganz anders Thema: Ihr Lieblingsgemüse?
Burkhard Pohl: Spargel. Auf jeden Fall.
Vinschgerwind: Kommen wir nochmals auf die Eingangsfrage zurück. Auf das Älterwerden. Bevor Sie geheiratet haben, waren Sie Zehnkämpfer. Wie kam es dazu?
Burkhard Pohl: Ich war prädestiniert für den Sport. Ich hatte eine unglaubliche Sprungkraft wie selten jemand. Der damalige österreichische Weitsprungmeister hat mir das bestätigt. Und zwar haben wir mit Sprüngen auf Tischen interne Wettbewerbe gemacht und da hab ich den Weitspringer oft geschlagen, obwohl dieser größer war als ich. Ich bin nicht nur des Öfteren Regionalmeister in Südtirol im Zehnkampf gewesen, auch in 400 Meter, sondern ich habe auch in Wien einiges gewonnen. Auf der Uni in Wien habe ich viele Sportarten betrieben. Mit großer Leidenschaft hab’ ich das Laufen am Sensenplatz trainiert. Das war für mich ein Highligth. Der Zehnkampf fand ohne jeglichen Trainer statt. Ich hab alles aus Büchern gelernt.
Vinschgerwind: Eine Disziplin im Zehnkampf ist der Stabhochsprung. Waren Sie kürzlich in Schlanders?
Burkhard Pohl: Nein, war ich nicht. Obwohl es mich interessieren täte. Aber ich war damals auch Regionalmeister im Stabhochsprung.
Vinschgerwind: Sport in der Jugend als Tipp fürs Älterwerden?
Burkhard Pohl: Das ist wichtig. Nicht rauchen ebenfalls. Ich war immer schon ein Gegner des Rauchens. Ich erinnere mich an den Horror beim Militär. Dort haben alle im 20-Betten-Zimmer geraucht. Im Spital hat man geraucht. Auf mein Klagen hin hat man mich auf die Kinderstation verlegt. Schreien hat mir jedenfalls weniger ausgemacht als das Rauchen.
Vinschgerwind: Zehnkämpfer sind Einzelsportler. Ist Einzelkampf bezeichnend für Ihren Lebensweg?
Burkhard Pohl: Das kann man so sehen. Ich habe nie Fußball gespielt. Aber im Mannschaftsport Flugball da war ich gut. Und zwar wegen meiner Sprungkraft. Blocken und Schmettern waren da meine Stärke. Mit dem Riss meiner Achillessehne war dann die Sportkarriere zu Ende.
Interview: Erwin Bernhart