Wolfgang Platter, am Tag der Hlg. Joachim und Anna, 26. Juli 2025
Jetzt während der Zeit, in der an der Reschen-Bundesstraße Nr. 180 im Abschnitt Finstermünz eine neue Galerie gegen den Steinschlag gebaut wird und deswegen eine einspurige Durchfahrt eingerichtet ist, weichen wir Vinschger und andere Verkehrsteilnehmer über die Norbertshöhe bei Nauders aus und fahren für die Weiterfahrt nach Tirol ein kurzes Sraßenstück durch das Unterengadin in unmittelbarer Nähe am orographisch linken Ufer des Inns. Dieser Umstand ist Impuls, den Inn und die Klause Altfinstermünz vorzustellen.
Der Inn
Der Inn heißt in der rätoromanischen Sprache „En“. Er gibt dem „En“gadin seinen Namen. Der Inn entspringt auf 2.484 Metern Meereshöhe bei Maloya nahe dem
Lunghinsee im Schweizer Kanton Graubünden. Wie die Etsch für Südtirol, ist der Inn der größte Fluss Tirols. Bis zu seiner Mündung in die Donau bei Passau hat er eine Länge von 519 km. Von dieser Fließstrecke verlaufen 212 km durch Tirol. In der Innschlucht zwischen Nauders und Pfunds liegt die Klausenanlage Altfinstermünz als ehemalige Grenz- und Zollstation des Mittelalters. Der Inn hat sich hier seinen Abfluss durch die baumbestandene enge Schlucht aus dem Bündner Schiefergestein des sogenannten „Engadiner Fensters“ gegraben. Die Schlucht war eine gefürchtete Engstelle an der historischen Wegverbindung der römischen Via Claudia Augusta zwischen dem Inntal über den Reschenpass in den Vinschgau. Aber sie bot sich geradezu auch an für den Bau einer Befestigungsanlage zum Schutz des Weges.
Baugeschichte
Spätestens ab dem 14. Jahrhundert war diese Befestigungsanlage auch mit einer Zollstation verbunden, die zunächst von Schloss Naudersberg aus verwaltet wurde. Die Befestigungen reichen ursprünglich wahrscheinlich bis in das hohe Mittelalter zurück: In einem Streit des Welfenherzogs Heinrich mit dem Bischof von Chur 1078 ist von einer Besatzung an der Engadiner Grenze die Rede. Im Jahr 1159 wird das Gebiet der Vinestana silva als Grenze zwischen dem Engadin und dem Inntal erwähnt. 1241 ist die Vinstermütz als eine der Grenzangaben für den Eigenbesitz der Grafen von Ulten in diesem Gebiet angeführt. 1263 wird erstmals das castrum Luech in der Vinst(er)minze genannt. 1335 ist von den Wächtern für die Klause die Rede.
Die heute noch erhaltenen Baulichkeiten stammen zum Großteil aus der Zeit Herzog Sigmunds und Kaiser Maximilians. In das Jahr 2019 fiel der 500. Todestag von Kaiser Maximilian. 1472 datieren die ersten Nachrichten über Bauten in der Finstermünz. Damals hatte sich wegen der Schweizer Kriege eine erhöhte strategische Bedeutung für den Brückenübergang am Inn ergeben. Die ersten Bauten betrafen die Errichtung von Sigmundseck, dem erhöht über der Brücke gelegenen, niederen und turmartigen Bau.
Auch die Brücke über den Inn ist ein Bau aus der Zeit Herzog Sigmunds. Der markante Brückenturm mitten im Fluss wird durch zwei Wellenbrecher stabilisiert. Die Straße führt durch den Tum hindurch. Pechnase, Wachstube mit zwei Fenstern und Zinnenbekrönung unter dem späteren Zeltdach markieren den Turm.
In mehreren Etappen kam es zu Beginn des 16. Jahrhunderts zum Bau des mächtigen Klausenturms. Finstermünz war damals schon ein eigenes landesfürstliches Zoll- und Pflegeamt. Im Erdgeschoss des Klausenturms befand sich die Wohnung des Pflegers. In den Obergeschossen gibt es mehrere, teils saalartig große und in Holz ausgetäfelte Räume. Schießfensterchen und Zinnen weisen auf den Wehrcharakter des Baues hin. Eine Sperrmauer führte von hier den Berg hinauf. Auch zum Inn hin gab es eine Zwingermauer. Es gab kein Durchkommen ohne Kontrolle und Zollabgabe. Die etwas abgerückt stehende Kapelle ist ein Maria Himmelfahrts-Kirchlein aus dem Jahr 1605. Der nach der Restaurierung 2006 wieder aufgestellte Altar ist ein Säulenaltar von Franz Laukas (datiert 1696) mit Bild Maria Himmelfahrt und Figuren von Joachim und Anna (von Andreas Thamasch), in der Predella Hlg. Johannes Evangelist, Ignatius, Franz Xaver und wahrscheinlich Barbara.
Der Bau der neuen Straße
Nach der Verlegung des Zollamtes 1179 talauswärts nach Martinsbruck und insbesondere nach dem Bau der neuen Reschenstraße (1849-55) verlor Finstermünz seine Bedeutung. Die imposante neue Passstraße wurde nach Plänen der Ingenieure Josef
Duile (aus Graun) und Karl Ritter von Ghega (Wien) von der Firma Perwög aus Silz in einer Breite von 6.70 Metern mit 4% Steigung als „Oberer Weg“ in den Felsen gebaut. In den Sommermonaten waren beim Bau bis zu 1.200 Arbeiter beschäftigt, im Winter 350. Es wurden 75 Tonnen Sprengpulver verbraucht.
Die Restaurierungsarbeiten unter dem Verein Altfinstermünz
2001 wurde auf Initiative des Nauderer Altbürgermeisters Hermann Klapeer der Verein Altfinstermünz gegründet. Seither sind umfassende Sanierungs-, Restaurierungs- und Adaptierungsarbeiten durchgeführt worden. Heute präsentiert sich Altfinstermünz als interessantes und sehenswertes Geschichts- und Dokumentationszentrums der historischen Mobilität.
Man erreicht die Festung Altfinstermünz von der Reschen-Bundesstraße aus beim Gasthaus Hochfinsterminz, ex-Hotel der legendären Wirtin Emmi Priebsch (1930-2018), heute Ruine, über einen Serpentinensteig in einem 30-minütigen Abstieg durch schattigen Trocken-Mischwald, der von Rotföhren dominiert ist. Der Abstieg durch den Wald bietet einige botanische Besonderheiten. Jetzt im Juli hat die Braunrote Sumpfwurz (Epipactis atrorubens) als Wildorchidee in vielen Exemplaren geblüht. In der Krautschicht des Waldes kommt auch die Wilde Brustwurz (Angelica sylvestris) aus der Familie der Doldenblütler vor. Deren Blüten waren bei unserer Begehung übersät von Bestäubungsinsekten: neben Honigbienen und Hummeln flogen auch Fliegen und Käfer wir zum Beispiel der gelb-schwarz gebänderte Gefleckte Schmalbock (Strangula maculata). Am trockenen Felsstandort wächst hier auch der Sefenstrauch (Juniperus sabinae). Im Vinschgau kenne ich dieses Wacholdergewächs nur aus der Schlucht des Schnalstales um Juval herum.
Die alte Römerstraße Via Claudia Augusta
Die alte Römerstraße Via Claudia Augusta wurde unter Kaiser Claudius in den Jahren 46/47 nach Christi Geburt gebaut. Sie dürfte im Bereich Altfinstermünz den Inn mit Hilfe einer Brücke überwunden haben. Die damals einzige Alpentransversale führte von Donauwörth nach Padua und verband als wichtigste Verkehrs- und Handelsstraße die Poebene mit dem Donauraum.