Der Tierschutzverein Vinschgau feiert heuer sein 10-jähriges Bestehen. Doch zum Feiern ist den Verantwortlichen nicht zumute. Ihr ehrenamtlicher Einsatz wird von Teilen der Gesellschaft und von der Politik zu wenig geschätzt. Dabei leisten sie Großartiges für Kleintiere. Und das alles im privaten Kreis. Die Forderung nach einem dringend benötigten Tierheim im Westen des Landes ist bisher in den Mühlen der Politik versandet. Es gibt auch keine Auffangstation für Wildtiere in Südtirol.
von Magdalena Dietl Sapelza
Kürzlich entdeckte eine Frau in Prad ein wenige Wochen altes schreiendes Kätzchen auf der Straße und wählte die Nummer des Tierschutzvereins Vinschgau. Freiwillige Helferinnen des Vereins stießen daraufhin in einer Scheune auf eine regelrechte Katzeninvasion mit 20 erwachsenen Katzen und 12 Kätzchen, deren Zustand erbärmlich war. Die Kleinen wurden eingesammelt und in Obhut genommen, die älteren Katzen mit Lebendfallen gefangen und von Tierärzten kastriert. Während die Kleinen nun von Mitgliedern des Tierschutzvereins gesund gepflegt und aufgepäppelt werden, um sie später an Tierfreunde vermitteln zu können, wurden die kastrierten Katzen in die Scheune zurückgebracht, wo sie nun als Katzenkolonie betreut werden. Auch in vielen anderen Orten des Tales haben die Mitglieder des Tierschutzvereins seit Jahren auf diese Weise dem Katzenelend entgegengewirkt. Durch ihren Einsatz beugen sie hygienischen Missständen in den Orten vor, die sonst möglicherweise für Gemeindeverwalter zum Problem werden könnten. Und sie ersparen den Bewohnern den Anblick von ausgezehrten, mit Parasiten befallenen, kranken Kätzchen mit verklebten Augen. Für die gesund gepflegten Kätzchen werden neue Plätze bei Tierliebhabern gesucht. Für gesunde Kätzchen findet sich relativ schnell ein Platz, schwieriger ist es bei erwachsenen Katzen. Immer öfters müssen die Mitarbeiterinnen des Vereins ältere Katzen aufnehmen, deren Besitzer ins Altenheim gezogen, oder verstorben sind. Ein Umstand, der sich häuft. Die Vorsitzende des Tierschutzvereins Vinschgau Anita Pichler versorgt einige erwachsene Katzen und derzeit über 20 Kätzchen bei sich zu Hause in Latsch. Wenn sich ein krankes Pflegetier nicht erholt, dann entscheidet sie sich in Absprache mit einem Tierarzt auch für das Einschläfern und meint dazu: „Auch Einschläfern ist in hoffnungslosen Fällen Tierschutz.“
10 Jahre Tierschutzverein Vinschgau
Anita Pichler hat sich bereits anfangs der 2000er Jahre in der Sektion Vinschgau im Südtiroler Tierfreundeverein engagiert. 2015 wurde dann der Tierschutzverein Vinschgau gegründet und Pichler übernahm als Vorsitzende die Verantwortung. Seither ist sie unermüdlich im Einsatz und investiert unzählige Stunden in Pflege der vielen Kätzchen, die regelmäßig in oft schlechtem Zustand zu ihr gebracht werden. Wenn`s brennt ist Anita Pichler da. Tatkräftige Unterstützung erhält sie von ihren Vorstandsmitgliedern Sabrina Fabi Schöpf (Kastelbell), Petronilla Pircher (Schlanders), Gaby Pircher (Latsch), Arianna Vilardo (Schlanders), Lara Donner (Schluderns), Beatrice Nart (Glurns) und von den beiden kooptierten Mitgliedern Sabine Stampfer (Morter) und Jutta Marsoner (Schlanders). Die neun Frauen leisten jährlich rund 5.000 Stunden freiwillige Arbeit. Sie nehmen Tiere, meist Kätzchen, in Pflege und versuchen sie dann zu vermitteln. Sehr gefordert ist die Vorsitzende selbst, deren Zeit auch noch in die Verwaltung des Vereins fließt, verbunden mit viel Bürokratie. Alle Ein- und Ausgaben werden genauestens dokumentiert, genauso wie die getätigten Kastrationen, die Anzahl der Katzen in Kolonien und einiges mehr. Der Verein finanziert sich mit Mitgliedsbeiträgen und zum Großteil mit Spenden, auch mit den 5 Promille aus der Steuererklärung. Etwas bringen die Spendenboxen, und Körbe für Tierfutter stehen oft in Geschäften bereit. Es werden auch Eigeninitiativen gestartet, wie Weihnachtsmarkt, Kuchenverkauf, Vorträge und anderes. Beiträge kommen vom Land, der Raiffeisenkasse und von einzelnen Vinschger Gemeinden. Regelmäßig nehmen die Tierschützer auch das Geld aus der eigenen Brieftasche, um Futter oder Medikamente für die Tiere zu kaufen. Eine langjährige Gönnerin hat kürzlich die Errichtung eines Katzenhauses im Garten von Anita Pichler in Latsch finanziert.
6.000 Katzen kastriert
Vieles dreht sich im Tierschutzverein Vinschgau um Katzen, deren ungehemmte Vermehrung vielerorts problematisch sind und unterbunden werden muss, um das Elend der Tiere zu bekämpfen. Im Zeitraum von 2007 (zuerst im „Südtiroler Tierfreundeverein“, dann im Tierschutzverein Vinschgau) bis 2025 wurden rund 6.000 Katzen kastriert. Die Kleintierärzte Karoline Schwalt (Mals), Roman Alber (Laatsch), Alfred Theiner und Bianca Preyer (Prad), Hannes Stainer (Naturns) machen das zu vergünstigten Konditionen. 1.500 Kätzchen wurden von den Vorstandsmitgliedern entgegengenommen, aufgepäppelt und vermittelt. 250 Katzen mussten nach Verletzungen oder Erkrankungen gepflegt werden und wurden dann wieder in ihre Kolonien gebracht. Rund 100 Katzen werden derzeit in den verschiedenen Kolonien im Tal mit Futter versorgt. Aufgenommen wurden auch verletzte Vögel, die an das Vogelpflegezentrum in Dorf Tirol weitergegeben werden und Igel und Igelwaisen. Denn im Land fehlt eine Wildtierauffangstation. Eine begrenzte Zahl an Hunden konnte bisher der Verein Tierheim Naturns in Ulten aufnehmen (das Tierheim war nach der Kündigung in Naturns dorthin übersiedelt). Doch seit der Schließung im März 2025 befinden sich die Hunde in einer Tierpension in Margreid, und der Verein Tierheim Naturns bezahlt die Unterbringung. Die Mitglieder im Tierschutzverein Vinschgau kämpfen für die Änderung des Jagdgesetzes. Die Ausgabe von Lizenzen an ortsfremde Jäger zum wahllosen Abschießen von Singvögeln in den Obstanlagen soll verhindert werden. Denn die Zahl mancher Singvögel ist stark zurückgegangen, die Abschusszahlen sind jedoch gleichgeblieben. „Unser Tierschutzverein dient auf politischer Ebene, oder dem Sanitätsbetrieb usw. oft als Vorzeigeverein, weil gut gearbeitet wird. Doch weil gut gearbeitet wird, wird nicht gesehen, was wir tun“, sagt Anita Pichler.
Von der Politik enttäuscht
Seit langem wird ein Tierheim für die westliche Landeshälfte gefordert. Doch den politisch Verantwortlichen im Land scheint die Dringlichkeit nicht bewusst zu sein. Anita Pichler fühlt sich in Stich gelassen und sagt: „Von der Politik bin ich am meisten enttäuscht. In Bozen schiebt der eine das Problem auf den anderen. Keiner verbrennt sich die Finger. Es werden immer wieder Gesetze gemacht, und uns werden Aufgaben übertragen, obwohl nicht geregelt ist, dass wir die Aufgaben auch machen dürfen. Rechtlich befinden wir uns in einer Grauzone, weil es in Südtirol offiziell nur Tierheime und Tierschutzverein gibt, aber keine Tierstätten, so wie wir sie betreiben. Wir machen zwar die Arbeit, dürfen aber um fast nichts ansuchen (Strom, Wasser, Mieten usw.). Wir müssen uns aber strikt an die Vorgaben halten und alles korrekt machen. So sind wir verpflichtet die Katzen zu chippen, und wenn wir das nicht tun, werden wir sanktioniert. Die Politik hat taube Ohren. Alles, was wir bisher vorgebracht haben, so die Forderung nach einem Tierheim, die Bitte um mehr Personal im Tierheim Sill, um mehr finanzielle Unterstützung usw. ist bisher versandet. Die Wertschätzung ist nicht da. Unser Land wird zwar angepriesen als schönes Land, in dem es den Tieren gut geht. Doch wenn man besser hinschaut, schaut die Situation ganz anders aus. Wir sind einige der wenigen Provinzen Italiens, die keine Auffangstation für Wildtiere hat. Wenn beispielsweise ein verletzter Igel gefunden wird, fühlt sich niemand zuständig. Dabei wäre das Amt für Jagd und Fischerei zuständig. Diese haben jedoch weder Räumlichkeiten noch das Personal. Und schließlich kommt der Igel zu uns. Seit ich dabei bin, und das ist seit über 20 Jahren, gibt es viele ungelöste Probleme und passiert ist nichts.“ Was den Verantwortlichen im Tierschutzverein noch sauer aufstößt ist, dass Aktionen militanter Tierschützer mit ihrer Tätigkeit vermischt werden. „Wir distanzieren uns von jenen, die aus falsch verstandener Tierliebe Hunde aus dem Süden Italiens zu uns heraufholen und bei uns hier weitervermitteln“, erklärt Anita Pichler. Die meisten dieser Tiere landen früher oder später im Tierheim, weil die Halter mit ihnen überfordert sind. „Bedauerlich finden wir im Tierschutzverein Vinschgau, dass wir in Bezug auf Bär und Wolf mit Tierrechtsorganisationen in einen Topf geworfen und angefeindet werden, obwohl wir da keinen Einfluss haben und unsere Aufgaben im Wesentlichen andere sind“, meint Pichler.
Netzwerke und Sensibilisierung
Trotz aller Schwierigkeiten, das Herz für Tiere ist zu groß, um aufzugeben. „Denn Tiere haben das Recht zu leben und artgerecht gehalten zu werden. Das gilt nicht nur für Katzen und Hunde, sondern auch für die Nutztiere in Ställen und auf Weiden“, so Anita Pichler. „Denn Tierschutz ist immer auch Umweltschutz und die Tierschutzrichtlinien sollten eingehalten werden“. Eine wichtige Aufgabe ist die Sensibilisierung der Menschen. Sie und ihre Mitstreiterinnen im Tierschutzverein sind stets bemüht, Netzwerke aufzubauen, in dem Kleintierärzte, Amtstierärzte, tierärztlicher Dienst und Gemeindeverwalter eingebunden sind. Sie wünschen sich mehr Verständnis für ihre Arbeit von Seiten der Gemeindeverwalter. Diese sind sich der Probleme beispielsweise mit freilebenden Katzen oft nicht bewusst, weil die Probleme bereits von den Mitgliedern des Tierschutzvereins gelöst worden sind, bevor sie reagieren müssen. Denn, wenn Tiere in Not sind, wird der Einsatz nicht an die große Glocke gehängt. „Doch Tierschutz geht alle etwas an. Jede/jeder kann im eigenen Umfeld etwas tun. Und Tierschutz ist auch Umweltschutz“, erklärt Pichler. Sie ist oft zu Gast in Schulklassen, um zu sensibilisieren. Sie erklärt den Kindern zum Beispiel, wie wichtig es ist für Insekten Lebensräume zu schaffen und Blumenwiesen anzulegen. Ein englischer Rasen ist für Kleinlebewesen wie eine Wüste. Wenn Insekten verschwinden, verschwinden auch viele Vögel, weil ihnen die Nahrung fehlt. Anita versuchte auch zu vermitteln, dass nur jene sich ein Tier anschaffen sollten, denen auch bewusst ist, was deren Haltung bedeutet. Für das Tier muss gesorgt werden solange es lebt, und das können Jahre sein. Die Verantwortlichen im Tierschutzverein fordern dazu auf, hinzuschauen, Verantwortung zu übernehmen, an kranken Tieren nicht vorbeizugehen und Missstände dem zu melden.